
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Ein heikles Thema
Nachwuchspreis der Stadt Potsdam für Forschungsarbeit zur Konversion zum Judentum
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Die nächste Forschungsreise von Barbara Steiner nach Israel ist gesichert. 5000 Euro Preisgeld erhält die Philosphin als Nachwuchswissenschaftlerin für ihre Promotion an der Universität Potsdam. Über die Konversion von Nichtjuden zum Judentum nach 1945 in Deutschland hat Steiner geforscht.„Es war schwierig in Deutschland Interviewpartner zu finden, denn das ist ein heikles Thema“, sagt Steiner. Die Motive der Konvertiten würden häufig nicht ganz klar erscheinen.
Tatsächlich weiß niemand genau, wie viele Deutsche nach dem Zweiten Weltkrieg zum Judentum konvertiert sind. Offizielle Statistiken gibt es nicht, die jüdischen Gemeinden führen nicht Buch. Auch der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums, Julius H. Schoeps, der Steiner für den Preis nominiert hat, hebt die großen Schwierigkeiten bei der Recherche der Studie hervor. „Das ist ein Thema, über das in den Gemeinden nicht gerne gesprochen wird“, so Schoeps. Um so beachtlicher sei es, dass Steiner ein „wirklich großer Wurf“ gelungen sei. Zudem sei das Thema noch längst nicht abgeschlossen, weiß Steiner: „Welche Auswirkungen das auf die Familien der Konvertiten und auf die Gemeinden, in denen sie leben, hat, ist noch völlig unklar.“
Hier würde Steiner gerne weiter forschen. In ihrer Arbeit stellt sie auch dar, wie sich in den vergangenen Jahrzehnten die Motive der Konvertiten und die Bedingungen für die Aufnahme in die jüdische Gemeinschaft geändert haben. In der unmittelbaren Nachkriegszeit sei das Judentum aufgrund des erlittenen Leides nahezu „sakralisiert“ worden und hätte auf viele schon deshalb eine große Anziehungskraft ausgeübt. Nicht selten habe der Übertritt auch der Bewältigung einer persönlichen Lebenskrise dienen sollen. Dass wirklich Glaubensinhalte und nicht persönliche Schwierigkeiten zur Beschäftigung mit dem jüdischen Glauben führen, würden indes die mittlerweile recht rigorosen Aufnahmeverfahren der jüdischen Gemeinden sicherstellen. „Aber wer wirklich unbedingt aufgenommen werden will, schafft das und versucht es möglicherweise über eine ausländische Gemeinde“, stellt Steiner fest.
Die Preisträgerin war mit einem Juden verheiratet, ist aber geschieden. In einer Ehe sei der Übertritt zum Glauben einfacher und ohnehin ein Thema, über das sich die Ehepartner auseinandersetzen würden. Sie glaube aber nicht, dass ihr persönlicher Hintergrund die Arbeit beeinflusst habe, so Steiner. Der Anstoß sei aus dem Umfeld der Universität Heidelberg gekommen, wo sie an der Hochschule für Jüdische Studien ein Philosophiestudium begonnen hatte. Nachdem sie unter anderem ein Studium der Jüdischen Geschichte an der Universität Jerusalem absolviert hatte, gelangte sie nach Potsdam. 2008 begann sie mit der Promotion, unterbrach diese für eine zweijährige Elternzeit und schloss die Arbeit 2014 ab.
Ihre Forschung führte Steiner auch nach Israel. Ungefähr 5000 Menschen würden dort jährlich zum Judentum konvertieren, dementsprechend einfacher als in Deutschland sei es gewesen, Gesprächspartner zu finden. Bei vielen, die schon vor Jahrzehnten zum Judentum übergetreten seien, habe die gegenwärtige Entwicklung des israelischen Staates jedoch zu einiger Ernüchterung geführt. Während nach der Staatsgründung im Jahre 1948 Aufbauarbeit zu leisten gewesen sei, werde heute der bestehende Staat geschützt. Der Preis wird am heutigen Freitagabend im Rahmen des Einsteintages der Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften im Nikolaisaal übergeben. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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