Homepage: Ein heimatloses Schwarzes Loch
Wissenschaftler vom Astrophysikalischen Institut Potsdam haben einen galaxielosen Quasar entdeckt
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Wissenschaftler vom Astrophysikalischen Institut Potsdam haben einen galaxielosen Quasar entdeckt Von Dirk Becker HE 0450-2958 war Professor Lutz Wisotzki und seinen Kollegen vom Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) schon länger bekannt. HE 0450-2958 haben die Wissenschaftler einen Quasar getauft, eine sehr leuchtstarke, in den meisten Fällen sehr weit von der Erde entfernte Galaxie. Im Frühjahr hat sich Wisotzki, zusammen mit einem internationalen Forscherteam, mit den leistungsfähigsten Teleskopen der Welt, dem „Very Large Telescope“ der europäischen Südsternwarte in Chile und dem Hubble-Weltraumteleskop noch einmal 20 Quasare vorgenommen, darunter auch HE 0450-2958. Bei ihren Untersuchungen stellten sie fest, dass HE 0450-2958 ein sehr exotisches Schwarzes Loch ist, das keinerlei Anzeichen für eine umgebende Galaxie aufweist. Ihre Entdeckung publizierten die Forscher vergangene Woche in dem international renommierten Fachmagazin „Nature“. Die ersten Quasare wurden im Jahre 1963 vom niederländischen Astronom Maarten Schmidt entdeckt. Aufgrund ihrer punktförmigen Erscheinung bezeichnete man sie als „quasistellare Radioquelle“, kurz Quasar. Schmidt stellte fest, dass es sich bei Quasaren um die aktiven Kerne von Galaxien handelt, in denen ein massereiches so genanntes Schwarzes Loch Materie aus seiner Umgebung abzieht. Inzwischen hat die Wissenschaft nachgewiesen, dass es solche Schwarzen Löcher im Zentrum beinahe jeder Galaxie gibt, auch in unserer Milchstraße. Bei den nun kürzlich untersuchten 20 Quasaren konnte jedoch für nur 19 davon eine „Heimatgalaxie“ gefunden werden. Für den extrem leuchtkräftigen Quasar HE 0450-2958 ergab sich eine Überraschung. „Aufgrund der herausragenden Qualität der gewonnenen Daten hätte eigentlich sofort eine Muttergalaxie entdeckt werden müssen. Doch auch nach aufwendiger Analyse der Bilder konnten wir keinerlei Anzeichen für eine umgebende Galaxie finden“, sagt Wisotzki. Denn normalerweise gilt: Je leuchtkräftiger der Quasar, desto größer und leuchtstärker ist auch seine Heimatgalaxie. Dieser spezielle Quasar hingegen ist offenbar nicht von einer herkömmlichen Galaxie umgeben. „HE 0450-2958 war uns als leuchtkräftiger Quasar schon länger bekannt. Es ist bei Quasaren nicht außergewöhnlich, dass diese ihre Heimatgalaxie überstrahlen. Erst mit sehr guter Technik ist diese dann zu erkennen. Doch bei HE 0450-2958 haben wir mehrmals geschaut, die Versuchsreihe wiederholt. Nichts“ erklärt Wisotzki. Jedoch konnte in der Nähe des Quasars eine Blase heißen, ionisierten Gases entdeckt werden. Dieses Gas wird durch die intensive Strahlung des Quasars zum Leuchten angeregt. Auf dem Bild des Hubble-Weltraumteleskops ist in unmittelbarer Nähe eine stark verformte Galaxie mit vielen Millionen neu entstandenen Sternen zu erkennen. Die Astronomen des AIP und ihre Kollegen deuten dies so, dass sich diese Galaxie in einer etwa 100 Millionen Jahre zurück liegenden Kollision mit einem anderen Sternsystem so verformt hat. Vermutlich ist auch die Heimatgalaxie des Quasars dabei in Mitleidenschaft gezogen, womöglich sogar ganz zerrissen worden. Ein solcher Fall ist in der Astrophysik aber bisher noch nicht bekannt, weswegen selbst die Fachleute keine eindeutige Erklärung geben können und zu Spekulationen greifen. „Vielleicht handelt es sich bei dem Quasar HE 0450-2958 auch um ein isoliertes Schwarzes Loch, das durch die galaktische Scheibe des Nachbarn stößt“, vermutet Wisotzki. Eine andere Möglichkeit von kosmologischer Tragweite bestünde darin, dass die Galaxie, die den Quasar beherbergt, ganz überwiegend aus Dunkler Materie besteht. „Unsere Milchstraße besteht zu 80 Prozent aus Dunkler Materie“, so Wisotzki. Die Wissenschaftler wissen nicht genau, um was es sich dabei handelt. „Wir können Dunkle Materie nur durch deren Schwerkraftwirkung nachweisen. Vielleicht besteht die Heimatgalaxie von HE 0450-2958 aus viel mehr Dunkler Materie als unsere Milchstraße und wir können sie darum nicht erkennen.“ Doch diese Vermutungen sind „höchst spekulativ“, sagt Wisotzki. Mit HE 0450-2958 werden sich die Wissenschaftler vom AIP noch intensiv beschäftigen und dabei auch andere Technik benutzen um festzustellen, ob dieses Schwarze Loch wirklich heimatlos ist.
Dirk Becker
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