Landeshauptstadt: Ein Herr mit Damenrad

Warum heute so viele Frauen auf Herrenrädern unterwegs sind, fragt sich Herbert Vater, die seien doch nicht bequem. Er selbst fährt ein Damenrad, silberfarben. Es funkelt in der Sonne, Herbert Vaters blaue Augen auch, sein Gesicht ist gebräunt. Dass er im Mai 74 wird, merkt dem Rentner niemand an, er wirkt beinahe jugendlich mit seinem modernen Rad, Modell „City Star“. „Das ist Aluminium. Ist aber gar nicht so leicht, wie alle denken“, befindet er. Sonst sei es ein schönes Rad, bequem und sicher, es leiste ihm gute Dienste.

In Potsdam lebt Herbert Vater seit 50 Jahren; er kennt sich aus. „Bei uns im Babelsberger Park am Wasser entlang bis nach Klein Glienicke“, beschreibt er seine Lieblingsstrecke. „Das ist ein schöner Weg.“ Früher lebte er in Kleinmachnow, auch dort radelt er noch ab und zu hin. Oder einfach in die Potsdamer Innenstadt, um auf dem Markt einzukaufen und in der Wilhelmgalerie auf einer Massageliege auszuspannen. Knapp 20 Minuten braucht er von Babelsberg. Viel sinnvoller sei das, als mit dem Auto zu fahren: „Draußen findet man keinen Parkplatz und das Parkhaus kostet.“

Passiert ist ihm auf dem Rad noch nie etwas, nur einmal, da hätte ihn vor dem Bergmann-Klinikum beinahe ein Auto umgefahren. „Die Leute sagen ja immer, in Potsdam passieren so viele Unfälle“, meint er. „Aber es guckt ja auch keiner richtig. Die jungen Burschen rasen vorbei und die Autofahrer beachten die Vorfahrt nicht.“ Er selbst passe auf und fahre immer mit Licht, auch tagsüber, natürlich mit Dynamo, nicht mit Batterien.

Das Wohlwollen seiner Ehefrau ist dem rüstigen Radler sicher. Im vorigen Jahr wollte Herbert Vater zur Baumblüte nach Werder. „Da meinte meine Frau: Das Auto bleibt aber hier.“ Obwohl sie selbst nicht mehr Rad fahren könne. Auch Herbert Vaters Söhne sind keine Radler, „die fahren eher Auto“, einer betreibt eine Tankstelle. „Aber ich“, sagt er, „ich fahre viel Rad. Jeden Tag ein bisschen, das tut jedem gut.“ Anne-Sophie Lang

Anne-Sophie Lang