Homepage: Ein immenser Raum für Experimente
Die karibische Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts war Thema einer Tagung an der Uni Potsdam
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Die Karibik ist die größte globalisierte Region auf der Welt. Davon geht Ottmar Ettes aus, der sich mit der Literatur, die seit dem 19. Jahrhundert rund um das Karibische Meer entstanden ist, genauer befasst. „Die Inseln bieten seit dem 15. Jahrhundert einen idealen Handelsplatz für Musik, Kunst und Literatur der ganzen Welt“, erklärte der Professor für Romanische Literaturwissenschaft der Universität Potsdam. Die Fachtagung „Versunkene Landschaften – Unsichtbare Landschaften“ am Wochenende an der Uni hatte die literarische Entwicklung der Karibik zum Thema, die karibische Literatur des 19. bis 21. Jahrhunderts stand im Mittelpunkt der Tagung.
„Durch kulturelle Einflüsse aus Asien, Afrika und Europa hat sich jede der Inseln unabhängig voneinander entwickelt“, so Ette. Vor allem Englisch, Französisch und Spanisch prägen das Sprachbild der Literatur dort. „Karibische Literatur beschäftigt sich viel mit der Vergangenheit“, erklärte Gesine Müller, Professorin für Romanische Philologie an der Universität Köln. Die Zeit des Kolonialismus, die haitianische und kubanische Revolution im 17. und 20. Jahrhundert – diese Eckdaten der Geschichte prägen das Bild der Bevölkerung und damit das der regionalen Literatur. Auch die Religion, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und moderne Sklaverei zählt Gesine Müller zu wichtige Themen der karibischen Literatur.
Die historische Aufarbeitung der Kolonialzeit und des atlantischen Sklavenhandels im karibischen Raum sei bis heute problematisch. „Die Geschichte ist verschüttet“, so Müller. Es sei weder klar erkenntlich, in welcher Beziehung die einzelnen Inseln zueinander, noch wie die Inseln zu ihren ehemaligen Mutterländern, wie Frankreich und Spanien, stünden, erklärte die Philologin. „Vor allem Sklaven waren damals Informationsquellen für die einfache Bevölkerung, wenn sie von Insel zu Insel transportiert wurden“, so Müller. Jedoch sei es heute schwer, Dokumente aus dieser Zeit in den Archiven zu finden.
Ab dem 19. Jahrhundert entstand in der Karibik die erste eigenständige Literatur. Dies sei hauptsächlich Insel- und Exilliteratur gewesen, sagte Ottmar Ette. Daraus entwickelte sich eine florierende und breit gefächerte Kunstbewegung. Auf der einen Seite sei der ständige Drang nach gesellschaftlicher Verständigung dieser Motor, andererseits stünden heute viele Einheimische unter dem Druck, den Unterschied in der Masse zu finden, sich irgendwie von diversen Eindrücken abzuheben. Gerade durch die großen Differenzen zwischen den Ländern und den Bevölkerungsschichten sei es schwierig, die eigene Identität zu wahren. „Das ist die Aufgabe, die es heutzutage zu klären gilt“, sagte Ette.
Die Karibik sei ein immenser Experimentierraum. Poetik würde durch Bewegung entstehen. Es sei ein Spielraum, in dem man die Möglichkeiten des Lebens ausprobieren könne. Dadurch entstehe im Menschen eine Akzeptanz für Unterschiede. Denn die gebe es bei jedem, jeder Mensch sei ein Unikat. „Da muss man logisch denken“, sagte Ette. Wie viel Logik braucht es, um zusammen erfolgreich leben zu können, ab wann ist die individuelle Herkunft unwichtig? Literatur sei die gedankliche Stütze dazu. „Sie führt zu einem neuen Selbstverständnis in der Bevölkerung“, so Müller. Elisabeth Kropp
Elisabeth Kropp
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