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Kommt zurück: Robert Koch.

© privat

Von Ariane Lemme und Anna Mageras: Ein Jahr Abenteuer

Einer bricht auf, der andere kehrt heim. Zwei Potsdamer über ihr freiwilliges soziales Jahr im Ausland

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Seit einigen Tagen hängt ein langes weißes Mückennetz über dem Bett des 20-jährigen Luciano Ansohn. Dies soll seinem Zimmer nicht etwa eine exotische Ästhetik verleihen. Vielmehr will sich der Babelsberger damit langsam an eine der vielen bevorstehenden Veränderungen gewöhnen. Denn Anfang September wird der Abiturient für ein knappes Jahr ins tropische Nicaragua ziehen.

Der Potsdamer Robert Koch hingegen fragt sich derzeit, wie schnell er sich wieder an das hektische, durchorganisierte Leben in Deutschland gewöhnen wird. Ein Jahr hat er in Balanka gelebt, einem togolesischen Dorf mit rund 8500 Einwohnern. Als Freiwilliger hat er in der 2006 erbauten Bibliothek von Balanka gearbeitet, gemeinsam mit einer zweiten Volontärin aus Deutschland und drei Bibliothekaren aus dem Dorf.

Der 24-Jährige sagt, er habe vor allem Afrika oder – wie er sich selbst korrigiert – zumindest einen kleinen Teil des Kontinents kennenlernen wollen. Nicht nur als Tourist. Er wollte wissen, wie die Menschen in Togo tatsächlich leben, selbst erfahren, wie dort gearbeitet wird. „Als Europäer denkt man hier oft: Das wird doch nie was – und am Ende wird es doch“, sagt Robert. Wenn er zurückkommt will er sich in einem Masterstudiengang auch theoretisch mit internationaler Entwicklungszusammenarbeit beschäftigen.

Als Entwicklungshelfer sieht sich Luciano nicht. „Es geht nicht darum, nach San Rafel del Sur zu gehen und den Leuten zu sagen, wie sie etwas machen sollen, nur weil wir es so machen“, sagt er. „Stattdessen reise ich dorthin, um meine Kultur vorzustellen und hoffentlich viel zu lernen.“ Er freut sich besonders auf das Klima und die Landschaft in Zentralamerika. „Ich liebe das Meer über alles“, sagt er und schwärmt von Palmen, warmem Wetter und einer entspannten Lebensweise, die er früher schon in Bolivien kennengelernt habe.

An Balanka gefällt Robert, dass es so abgeschieden liegt: Das nächste Internet- Café liegt 30 Kilometer entfernt, es gibt keine ständige Stromversorgung, das Licht für die Leselampen in der Bibliothek spenden zwei Solarpaneele. Neben einer zweiten Volontärin ist Robert der einzige Europäer im Dorf. Er wohnt auf dem Hof einer Familie aus Balanka, dadurch entstanden enge Beziehungen zu den Menschen, „alles ist sehr intim“, erzählt Robert begeistert.

Genau vor dieser Intimität hat Luciano noch etwas Angst: Wenn die Arbeit ihn nach einer Weile überwältigt, so fürchtet er, werde er in der Gastfamilie nur eine begrenzte Privatsphäre haben. „Es ist mir wichtig, ein Rückzugsgebiet zu haben“, sagt er. „Da ich nur zehn Kilometer vom Pazifik entfernt leben werde, werde ich sicher oft alleine am Strand laufen.“ Außerdem will er einen Blog führen, um seine Erlebnisse schriftlich und fotografisch festzuhalten und sie seinen Bekannten in Deutschland mitzuteilen.

Darunter werden sicher auch Bilder von bunten Trikots und gut gezielten Elfmetern sein, denn Luciano soll als Assistenzlehrer an rund drei Schulen fünf Tage in der Woche den Sportunterricht, und besonders das Fußballtraining, mitgestalten. Als begeisterter Fußballer, Trainer und Schiedsrichter hat er bereits eine Mappe mit Trainings- und Aufwärmübungen zusammengestellt und seinen Fußballverein Babelsberg 74 um Ausrüstungsspenden gebeten. „Ich finde es ganz spannend, mit wenig Material viel zu machen“, sagt Luciano.

Unterrichtet hat Robert neben seiner Arbeit in der Bibliothek auch, allerdings unter ganz anderen Umständen. „Viele der Eltern dort können sich das nötige Schulgeld, Bücher und Hefte nicht leisten“, erzählt er. Vom togolesischen Staat kommt kaum Unterstützung. So gründete die Regierung zwar eine Schule in Balanka, schickte jedoch keine Lehrer. Daraufhin suchten Elternkomitees vor Ort nach Freiwilligen, die den Unterricht übernehmen.

So kam es, dass Robert plötzlich vor einer siebten Klasse stand, um Mathematik und Physik zu unterrichten. Ein eigenes Schulgebäude gibt es nicht, bislang findet der Unterricht in leer stehenden oder eigens dafür frei geräumten Wohnhäusern statt. Für das kommende Schuljahr soll jedoch ein eigenes Schulgebäude errichtet werden. Das Geld für den Neubau kommt durch Spenden zusammen. Zu einem großen Teil stammen diese von Menschen aus dem Dorf, die mittlerweile in größeren Städten wohnen.

Eine von Ihnen ist die Initiatorin des Vereins Bildung für Balanka e.V. (BiBa), über den Robert nach Togo gereist ist. Die Potsdamerin Koko N’Diabi Affo-Tenin stammt selbst aus Balanka, ging dort zur Schule, setzte ihre Ausbildung in Togos Hauptstadt Lomé fort bevor sie nach Deutschland kam. Robert wohnt nun in Balanka auf dem Hof ihres Bruders und seiner Familie. So hat Robert nach seinem Bachelor-Abschluss in Staatswissenschaften erst einmal fremde Lebensweisen kennengelernt, bevor es sich weiter spezialisiert.

Auch Luciano will die akademische Ausbildung noch etwas hinauszögern um vor dem Studium noch viel Neues zu erleben. Er hat bereits in der elften Klasse durch einen privaten Schüleraustausch drei Monate in Bolivien verbracht, von denen er begeistert zurückgekehrt ist. Diese Begeisterung für ferne Länder teilt er mit Robert, dem klar ist, dass er irgendwann nach Togo zurückkommen möchte.

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