Sport: Ein Jahr wie ein Traum
Der gebürtige Belziger Fabian Wiede kann bereits in seiner ersten Saison als Handball-Profi einen bedeutsamen Titel gewinnen
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Auf der Tribüne klatschte sogar der Bundestrainer, der ja eigentlich qua Amt zur Neutralität verpflichtet ist. War ja auch eine herausragende Aktion, die sich gerade abgespielt hatte vor den Augen Martin Heubergers und 9000 weiterer Besucher. Energisch hatte Fabian Wiede im Bundesliga-Punktspiel der Füchse Berlin beim HSV den Tempogegenstoß eingeleitet, er stürmte auf die gegnerische Abwehr zu, stieg in die Luft zum vermeintlichen Torabschluss – und passte völlig überraschend zu seinem Mannschaftskollegen Jesper Nielsen, der von der Kreisposition ins Tor traf.
No-Look-Pass nennen die Basketballer das – ein Anspiel aus dem Augenwinkel also. Nicht zu verteidigen, herrlich mitanzusehen und gleichwohl Beleg für den Reifeprozess, den Fabian Wiede, 20 Jahre jung, geboren in Belzig und beim VfL Potsdam ausgebildeter Handballer, in seiner ersten Profi-Saison durchlebt hat und noch immer durchlebt. „Fabi hat im letzten Jahr einen gewaltigen Schritt gemacht“, sagt Füchse-Trainer Dagur Sigurdsson. "Ich habe mich, glaube ich, ganz ordentlich geschlagen", sagt Wiede selbst, und das ist eine gnadenlose Untertreibung.
Am Wochenende besitzt der Rückraumspieler sogar die Chance, seinen ersten bedeutsamen Titel im Erwachsenen-Bereich zu gewinnen, mit den Jugendteams der Füchse hat er ja bereits vier nationale Meisterschaften feiern dürfen: Während in Potsdam das Finalturnier um den brandenburgischen Landespokal ausgetragen wird, hat sich Berlins Handball-Bundesligist zum ersten Mal für das Final Four um den DHB-Pokal in Hamburg qualifiziert. Wiede kehrt also zurück in die Halle, in der er erst kürzlich unter anderem den Bundestrainer verzückt hat. Am Samstag (18 Uhr, live bei Sport1) treffen die Füchse im Halbfinale auf die MT Melsungen. „Wir schauen erst mal nur auf unser Spiel, über das Finale denke ich im Moment nicht nach“, sagt Wiede, „aber unsere Chancen auf einen Titel stehen gut.“
Dass die Füchse nicht nur ins bevorstehende Finalturnier eingezogen sind, sondern auch in das Final Four um den EHF-Pokal am 17./18. Mai in eigener Halle und nebenher Tabellenplatz fünf in der Bundesliga verteidigten, hängt auch mit Fabian Wiede zusammen. „Fabi war weit mehr als ein Ersatz- oder Ergänzungsspieler“, sagt Bob Hanning, der Manager der Füchse und langjährige Juniorentrainer Wiedes. In der Rotation von Coach Sigurdsson hat der Linkshänder nicht zuletzt dank der für sein Alter erstaunlichen Vielseitigkeit einen festen Platz. Weil bei den Berlinern im Saisonverlauf gleich vier Rückraumspieler verletzt fehlten, wich Wiede phasenweise sogar auf die hoch anspruchsvolle Position im zentralen Rückraum aus und lenkte das Offensivspiel seines Klubs. Nicht weniger verlässlich sind seine Fähigkeiten in der Defensive, als Nebenmann von Abwehrchef Denis Spoljaric hat er einen erfahrenen Lehrmeister zu seiner Linken, der in schöner Regelmäßigkeit hilfreiche Tipps geben kann. „Manche Spieler mögen es nicht, zu verteidigen“, sagt Wiede, weil Defensive für viele Drecksarbeit darstellt. „Ich hab' da kein Problem mit, im Gegenteil.“
Das hat offensichtlich auch Bundestrainer Heuberger registriert, der Wiede zuletzt zweimal zu Lehrgängen eingeladen hat. In den Testspielen gegen Tunesien erbrachte Wiede den Nachweis internationaler Tauglichkeit, auch wenn es von den traditionell physisch starken Nordafrikanern mal wieder richtig auf die Knochen gab. „Ich wollte sehen, wie meine jungen Spieler mit solchen Situationen umgehen“, sagt Heuberger, „und ich habe das gesehen, was ich sehen wollte.“ Sprich: Wiede überzeugte. Es ist keine gewagte Prognose, dass der 20-Jährige im Verein und im Nationalteam perspektivisch betrachtet der kommende Mann im rechten Rückraum ist. Christoph Dach
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