Landeshauptstadt: Ein Job wie ein Langstreckenlauf
100 Tage Elona Müller: Die Beigeordnete braucht viel Puste und hat es gelernt , tote Punkte zu überwinden
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100 Tage Elona Müller: Die Beigeordnete braucht viel Puste und hat es gelernt , tote Punkte zu überwinden Ihre ersten hundert Tage hat Elona Müller als Beigeordnete für Jugend, Soziales, Gesundheit, Ordnung und Umweltschutz hinter sich. Die erste Zeit wollte die 50-Jährige zum Sammeln von Informationen nutzen, sie wollte ihre Mitarbeiter kennenlernen. Dafür blieb kaum Raum. Der dramatische Anstieg der Sozialhilfeempfängerzahl, Engpässe bei der Wohngeldstelle, Kündigung der Sucht GbR und die Krankenhausfusion: Das sei alles auf sie „niedergeprasselt wie ein Wasserfall“. Die 50-Jährige behielt Oberwasser, durch Arbeitseifer und Zukunftsperspektive: Die Müllersche Beigeordneten-Litanei von A bis Z. A rbeitspensum das ist bei mir sehr umfangreich, Samstage und Sonntage eingeschlossen. Durch die drei Fachausschüsse Gesundheit und Soziales, Jugendhilfe sowie Recht, Sicherheit, Ordnung und Umweltschutz sind auch viele Abende verbucht. Da muss man viele Abstriche im Privaten machen. Behördendschungel es ist positiv, dass in Potsdam die drei Ämter Jugend, Soziales und Gesundheit in einem Geschäftsbereich liegen und so die Behördengänge für die Bürger verkürzt werden können. Trotzdem gibt es noch zu viele Zuständigkeiten, ein Dschungel, den der einzelne nicht durchblicken kann. Eine Vereinfachung wäre wünschenswert, eine zentrale Anlaufstelle, die dafür sorgt, dass der Bürger alle seine Ansprüche geltend machen kann. C hill out steht für die Drogenberatung und Präventionsarbeit insgesamt, die wir ja bekanntlich – nach Aufkündigung der Sucht GbR – neu ausgeschrieben haben. Es gibt schon Bewerber, im November soll eine Entscheidung über die neue Trägerschaft fallen. D ucati mein Motorrad. Damit bin ich auch schon zum Dienst gefahren und habe vor allem die Potsdamer Feuerwehrleute beeindrucken können. Den Leitertest als Feuerprobe musste ich dennoch bestehen – am Brandenburg-Tag – das hat Spaß gemacht. E rziehung da denke ich an Hilfen zur Erziehung, die durch das Jugendamt und durch meinen Vorgänger gut in Potsdam ausgestaltet sind. So können wir in diesem Jahr immerhin sechs der insgesamt über 140 voll stationären Erziehungsplätze abbauen, dass heißt, immer weniger Kinder und Jugendliche müssen ins Heim. Inzwischen greifen mehr und mehr ambulante Erziehungshilfen – ein großer Fortschritt. F amilie die ist mir eine ganz große Stütze. Wenn vor allem mein Partner nicht so tolerant hinsichtlich meiner Arbeitszeit wäre, könnte ich das hier alles gar nicht machen. G ewissen Ich habe ein ausgeprägtes Rechtsempfinden und ein ausgeprägtes moralisches Gewissen. Beispiel: Waffenbörse. Wenn ohnehin in der Gesellschaft eine zunehmende Gewaltbereitschaft zu verzeichnen ist, muss man Jugendlichen durch das Präsentieren von Waffen nicht noch mehr Reize schaffen. Mein Gewissen ist außerdem durch den humanitären Ansatz geprägt. Ich glaube an die moralische Gesellschaft, in der jeder, egal, wo er herkommt, woran er glaubt oder wenn er mit Einschränkungen lebt, seinen Platz hat. H aus der Begegnung muss unbedingt als Integrationsstätte erhalten bleiben – mitten in der Stadt. Wir sind weiter auf der Suche nach einer Trägerschaft, die den Bestandsschutz garantiert. I dole Albert Schweitzer, weil er in so vielen Professionen tätig war und Joschka Fischer, weil er zeigt, welche Entwicklung ein Mensch nehmen, wie stark er sich aus eigenem Antrieb verändern kann. J ump plus ein wichtiges Programm, mit dem wir aber keine Statistikbereinigung betreiben werden. Wenn man Jugendlichen irgendeinen Arbeitsplatz zuweist, wird es viele Abbrecher geben. Deshalb werden wir fünf Mitarbeiter zu Fallmanagern ausbilden, die dann für jeden einzelnen passgerechte Ausbildungs- oder Jobangebote zusammenstellen. K ollegen auf der Beigeordnetenebene und auch bei meinen Mitarbeitern bin ich durchweg auf tolle Kollegen getroffen, mit denen man vertrauensvoll und konstruktiv zusammenarbeiten kann. L ebensmotto auch wenn es abgegriffen ist, betrachte ich das Glas immer als halbvoll. Ansonsten glaube ich daran, dass man im menschlichen Zusammenleben Zufriedenheit, Glück und Bereicherung finden kann. M arathon Beim Langstreckenlauf lernt man viel für die Arbeit: Ausdauer, Stetigkeit, Kraft, haushalten mit Energie, Zielerreichung. Und auch den Umgang mit toten Punkten, zu wissen, man kann noch mehr aus sich herausholen. Auch als Beigeordnete braucht man viel Puste und muss auch Rückschläge einstecken können. Marathonläufer sind nicht einsam. Ich laufe nie ohne andere längere Strecken. Es ist wichtig, dass man sich gegenseitig motiviert, dann schafft man die vielen Kilometer. N atur ist Lebensspender. Ich bin mehr ein Meermensch, liebe die Nord- und Ostsee, am liebsten im November. Weiche, liebliche Landschaften schätze ich nicht so sehr, lieber ist mir die rauhe, stürmische See. O rdnung ein wichtiger Faktor für das Wohlfühl-Gefühl der Bürger und ihre Besucher. Gerade für eine Tourismusstadt wie Potsdam ist Sauberkeit wichtig. Für mich ist Ordnung ein neues fachliches Terrain, das verwaltungsrechtlich klar strukturiert ist. Eine Einarbeitung fällt da leicht. P arteilos bin ich gerne, aber ohne unpolitisch zu sein. Bislang bin ich auch ohne Parteizugehörigkeit nicht schlecht gefahren. Wenn ich für eine Sache kämpfe, kann ich mich mit allen Parteien arrangieren, die auf der gleichen Linie sind. Politisch bin ich dennoch einzuordnen. Ich stehe den rot-grün gefärbten Parteien nah. Q uerelen nehme ich keine wahr. Sollte es zu Konflikten kommen, werden sie intern im Gespräch aus der Welt geschafft. Und dann muss es auch gut sein. R eformen will ich ohne Ende. Es gibt auf Verwaltungsebene einen großen Bedarf. Das Ziel muss sein: Kostenreduzierung der Leistungen ohne Einschränkung des Bürgers. S tadtverordnete ich bin von allen als Neue gut aufgenommen worden. Es herrscht Fairplay zwischen den Verordneten und der Verwaltung. Das wird hoffentlich auch nach der Kommunalwahl so bleiben. T öchter zwei: die 22-jährige Anne-Katrin und die 20-jährige Lena-Sophie. Sie sind Gesprächspartner und meine besten Freundinnen. Kinder zu haben, ist wahnsinnig anstrengend, aber auch wahnsinnig schön. U mzug nach Potsdam haben wir nach wie vor vor. Bislang haben wir allerdings noch nicht das Richtige gefunden. In Spandau wohnen wir in einem schönen Haus, etwas Vergleichbares sollte es auch in Potsdam sein. V erwaltung muss sich an Leistungsmaßstäben und betriebswirtschaftlichen Zielen messen lassen. Auch wenn sie ein Monopolist ist, sollte die Verwaltung wie ein modernes Unternehmen geführt werden. Man muss überlegen, ob man nicht zur Kostenreduzierung Aufgaben an Dritte überträgt. In meinem Bereich überlegen wir beispielsweise gerade, ob man nicht den Impfschutz outsourcen kann. W eiblichkeit trotz Führungsposition werde ich die nicht aufgeben. Ich fühle mich als Frau und bin es gern. X anthippe möchte ich nicht werden. Ich sträube mich nicht, auch negative Entscheidungen zu tragen und den Widerstand auszuhalten. Zänkisch werde ich das aber hoffentlich nicht austragen. Y -Chromosom Männer – ohne die geht es nicht. Ich arbeite am liebsten in gemischten Gruppen. Gerade die Gegensätze der Geschlechter führen zu konstruktiven Ergebnissen. Ich kann mich Männern gegenüber durchsetzen. Mein Mittel: Überzeugungsarbeit. Z ukunftswünsche - irgendwann die Ausgabenzahlen im Bereich Sozialhilfe zu reduzieren. - irgendwann mal in Potsdam zu wohnen - irgendwann mal Großmutter zu werden. Das Gespräch führte Nicola Klusemann
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