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Landeshauptstadt: Ein kleines Stück Schwarzwald

Häuser in der Siedlersparte „Einheit“ wurden in den 30er Jahren von Arbeitslosen gebaut

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Häuser in der Siedlersparte „Einheit“ wurden in den 30er Jahren von Arbeitslosen gebaut Von Erhart Hohenstein Für seine Bauten hat Potsdam Anleihen in vieler Herren Länder genommen. Davon zeugen das Holländische Viertel, italienische Stadtpaläste am Neuen Markt oder die Russische Kolonie Alexandrowka. Wer von der Drewitzer Straße Unter die Eichen oder Am Fenn abbiegt, wird ein Stück Schwarzwald finden. Inmitten gepflegter, reich mit Ziersträuchern und Blumen bepflanzter Grundstücke stehen Doppelhäuser mit der für den ländlichen süddeutschen Raum typischen, dunkel gebeizten Stülpschalung im Obergeschoss. Sie gehören zu dem in den 30er Jahren gegründeten Siedlerverein „Einheit“. Ihr Schöpfer ist Reinhold Mohr, jener bedeutende Stadtarchitekt, der aus seiner württembergischen Heimat an die Havel gekommen war. Darüber kann der heutige Vereinsvorsitzende, Claus Krause, eine Menge erzählen, denn er wurde 1936 in einem der gerade fertiggestellten Häuser geboren und lebt noch heute dort. Sein Vater, ein Zimmermann, gehörte zu jenen Potsdamer Arbeitslosen, deren Familien in der Zeit der Weltwirtschaftskrise die Chance auf ein eigenes Häuschen eröffnet wurde. Die Stadtverwaltung stellte das Bauland in Erbpacht zur Verfügung, dazu kamen 3000 Reichsmark Kredit für den Hausbau. 11 RM im Monat, ab 1936 dann 15,90 RM reichten aus, um ihn wie damals vorgesehen im Lauf von 99 Jahren abzustottern. Die arbeitslosen Handwerker wurden zu Kolonnen zusammengefasst, die ab 1932 Parzelle für Parzelle die Doppelhäuser errichteten. War ein Abschnitt fertig, entschied das Los, wer welches Grundstück bekam. Inzwischen hatten die Nationalsozialisten die Macht übernommen, und sie nutzten das Entstehen dieser Gartenstadt für Arbeitslose propagandistisch aus. Dies kann aber nicht verwischen, dass die Siedlung Wohnungen für sozial Schwache schuf, architektonisch stimmig war und sich städtebaulich gut in die Stadtrandgebiete einordnete. So sehen das auch die Denkmalpfleger und stellten sie 1992 unter Schutz. Komfort boten die Häuser allerdings kaum. 14 m² Wohnzimmer, 13 m² Küche, zwei Kammern im Obergeschoss, ein Anbau für Stall und Waschküche, keine Bäder, kein WC, das Wasser wurde von der Pumpe geholt, das Abwasser in Jauchegruben entsorgt. Die 700 m² großen heutigen Ziergärten waren mit Kartoffeln, Gemüse, Erdbeeren bestellt, Vieh wurde gehalten. Jeder Siedler bekam von der Stadt vier Obstbäume geschenkt. Claus Krause zeigt eine „Hausordnung“ aus dem Jahr 1938, die den Umgang mit den Häusern reglementiert, bis zum einheitlichem Farbanstrich und der Genehmigungspflicht für Radioantennen. Bauliche Veränderungen waren verboten. Seinerzeit war die Mitgliedschaft im Siedlerverein Pflicht. Das ist heute nicht mehr so, zumal inzwischen die meisten Hausbesitzer das Grundstück gekauft haben. Geblieben ist der Siedlersparte „Einheit“, die zum Kreisverband der Garten- und Siedlerfreunde (VGS) gehört, das Vereinshaus „Zur Meise“. Es war 1984 an der Stelle eines abgebrannten Vorgängerbaus beträchtlich größer errichtet worden, um in diesem Gebiet den „Parteien und Massenorganisationen“ Veranstaltungsmöglichkeiten zu geben. Heute ist es als Gaststätte an einen Pächter vergeben. Wenn so das Tätigkeitsfeld des Vereins auch zusammengeschrumpft ist, die meisten Siedler halten ihm traditionsbewusst die Treue, noch 101 bei etwa 120 Grundstücken.

Erhart Hohenstein

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