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WELTKRIEGSBOMBE im Klinikum entschärft: Ein Küsschen für den lieben Manuel

Auf der Baustelle des Klinikums drehte Manuel Kunzendorf der Fliegerbombe den Zünder raus

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WELTKRIEGSBOMBE im Klinikum entschärftAuf der Baustelle des Klinikums drehte Manuel Kunzendorf der Fliegerbombe den Zünder raus Von Günter Schenke Innenstadt – Wie ein erlegtes Wild liegt die Bombe auf einer Holzpritsche auf der Baustelle des Klinikums „Ernst von Bergmann“. Es ist Sonnabend 15 Uhr. Vor einer Viertelstunde hatte Oberbürgermeister Jann Jakobs in sicherer Entfernung am Bassinplatz die Hand gehoben und gerufen: „Die Sicherheit ist hergestellt“. Der Tross der Beteiligten an der Evakuierungsaktion setzt sich in Feuerwehr-Transportern in Bewegung, um die Bombe, welche die Innenstadt sieben Stunden lahm legte, zu besichtigen. „Es ist eine amerikanische Bombe, abgeworfen von den Briten“, erklärt Manuel Kunzendorf vom Staatlichen Munitionsbergungsdienst. Gemeinsam mit Ralf Kirschnick hatte er sie in einer Stunde und zehn Minuten unschädlich gemacht. In dem Loch, in dem sich der Zünder befand, steckt jetzt ein Stück Stoff. „Und wo ist der Zünder?“ will jemand wissen. Doch den Kunzendorf muss enttäuschen: „Den Zünder zeige ich Ihnen nicht.“ Das zirka 500 Gramm schwere Teil, das eine erhebliche Sprengkraft habe, sei (bomben)sicher verwahrt. Es gibt Konfekt der Marke „Merci“ sowie andere kleine Aufmerksamkeiten für die beiden Experten, dazu ein Küsschen für „den lieben Manuel“ von Marina Kluge, Chefin des Fachbereichs Ordnung und Sicherheit. „Etwas in diesem Ausmaß habe ich noch nicht erlebt“, sagt der Berliner Feuerwehrmann Thomas Reidiger. Das liege wohl daran, dass die Bombe in unmittelbarer Nähe eines Krankenhauses befinde. Die Potsdamer Wehr hatte Unterstützung aus Berlin, aus dem Landkreis Potsdam-Mittelmark und Zauch-Belzig, aus Nauen und der Stadt Brandenburg für den Fall der Fälle angefordert. Die Hilfe sei laut Feuerwehr-Chef Wolfgang Hülsebeck problemlos gewährt worden. Als der Audi mit dem Oberbürgermeister Sonnabendmorgen um 9.15 Uhr auf dem Parkplatz Am Kanal eintrifft, wimmelt es hier bereits von Rettungsfahrzeugen und –mannschaften. Eine einzige Frau ist unter den vielen Feuerwehrmännern: Jessica Flohr, Rettungsassistentin der Wehr Charlottenburg. Über einem Potsdamer Fahrzeug kreist hoch auf einem Eisenstativ eine rote Warnlampe. „Die rote Rundumleuchte markiert den Standort der Einsatzleitung“, erklärt Michael Breuer, der als Organisationsleiter mit giftgrüner „Kennweste“ bekleidet ist. Was macht Breuer, sollte die Bombe hochgehen? „Dann organisieren wir neu“, sagt er und erwähnt die dann erwarteten Anweisungen aus dem Stab in der Hauptwache Werner-Seelenbinder- Straße, wo Einsatzleiter Dirk Heusler die Fäden in der Hand hat. Doch ehe sich Kunzendorf und Kirschnick am Zünder der über einen Meter langen und 36 Zentimeter dicken mit Dynamit gefüllten Bombe zu schaffen machen, vergehen noch fast vier Stunden. 130 Kontrolleure, Bedienstete der Stadtverwaltung bis hin zum Lehrer der Musikschule, laufen unter Leitung von Fachbereichsleiterin Marina Kluge und der Beigeordneten Elona Müller die gespenstisch menschenleeren Straßen ab, klingeln an jedem Haus, um sich zu überzeugen, dass niemand mehr drin ist. Lautsprecherdurchsagen der Polizei fordern auf, die Sperrzone zu verlassen. An der Ecke Benkert-/Mittelstraße steckt um 10.15 Uhr ein junger Mann seinen blonden Schopf aus dem Fenster im ersten Stock , nachdem ihn Elona Müller rausgeklingelt hat. „Ich gehe sofort, ich muss nur noch das Kind wecken“, sagt er. Und Müller wartet, bis die Familie mit „Kind und Kegel“ ins Auto steigt und das Viertel verlässt. Nicht überall geht das so reibungslos. In der Behlertstraße weigert sich ein Mann, die Wohnung zu verlassen. Kein Zureden der Polizei hilft zunächst, so dass diese schon den Schlüsseldienst anfordert, um die Tür öffnen zu lassen und den Mann notfalls mit Gewalt in Sicherheit zu bringen. Doch nach einer Stunde lenkt dieser dann doch ein. Zwei Stunden nach der erfolgreichen Entschärfung und dem Abtransport der 250-Kilo-Bombe bleiben die Sperrungen noch bestehen. Grund: Der Munitionsbergungsdienst sucht die Baustelle nach weiteren Blindgängern ab. Kurz nach 17 Uhr dann Entwarnung: Keine weitere Bombe gefunden, Evakuierung aufgehoben. Es handelte sich um eine deutschlandweit einzigartige Aktion: 129 Einsatzkräfte der Polizei, 130 Feuerwehrleute, zahlreiche Unfallhelfer mit zwanzig Rettungsfahrzeugen, 200 Mitarbeiter der Stadtverwaltung, und 120 Angehörige der Bundeswehr waren im Einsatz. Ihnen dankte der Oberbürgermeister nach dem glücklichen Ausgang für die „effektive Zusammenarbeit“ und den von der Evakuierung betroffenen Menschen für ihr besonnenes Verhalten.

Günter Schenke

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