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Landeshauptstadt: Ein leerer Platz

Hunderte Menschen nahmen gestern bei einem Trauergottesdienst Abschied von Felix von Quistorp

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Hermannswerder - Hunderte Menschen haben gestern von Felix von Quistorp Abschied genommen. Eltern, Geschwister, Freunde, Mitschüler und Lehrer gedachten in der Inselkirche auf Hermannswerder des verunglückten 14-jährigen Jungen, der dort das evangelische Gymnasium besucht hatte.

Trauer, Schmerz, Verzweiflung, Sprachlosigkeit – so beschrieb Pfarrerin Nicole Waberski die Gefühle der Anwesenden. Alle Plätze in dem Backsteingebäude am Havelufer waren besetzt. Viele der Trauernden hielten sich gegenseitig, weinten. Klassenkameraden umarmten sich tränenüberströmt. „Felix ist herausgerissen worden aus seiner Familie, aus seiner Klasse, ist all seinen Freunden genommen worden“, sagte Waberski. Er habe einen leeren Platz hinterlassen. Felix sei ein ruhiger und ausgeglichener Junge gewesen, der als Mediator Streitereien an seiner Schule schlichten half. Seinen Mitschülern bliebe er als ein „äußerst großzügiger“ Mensch in Erinnerung – als einer der oft Chips kaufte und jedem davon abgab. Und „er half immer gern, half immer anderen“, sagte Waberski, die den gläubigen Schüler vom Konfirmanden-Unterricht kannte. Dort habe sie ihn als jemanden kennengelernt, der seine Position klar vertreten habe – „mit einem charmanten Lächeln.“ Sein Lächeln erwähnten die Teilnehmer der Trauerfeier immer wieder.

Der abenteuerlustige Jugendliche, der in seiner Freizeit Hockey gespielt hatte, habe viele Träume gehabt, „oft ganz stille, viele wussten nichts davon“, sagte Waberski: Er habe später Diplomat in Frankreich werden wollen und wünschte sich Polo spielen zu können, obwohl er noch gar nicht reiten konnte, sagte die Pfarrerin. Das gezeichnete Porträt, das neben seinem mit blauen und weißen Blumen geschmückten Sarg stand, zeigte dann auch Felix vor Polo spielenden Reitern. Auf diesem Bild lächelt Felix nicht. Der Teenager sei manchmal auch sehr still gewesen, erzählte Waberski. Er las gern, „am liebsten fünf Bücher nebeneinander“. Aber er habe auch Weite gebraucht. Er sei oft allein spazieren gegangen.

Allein war der junge Potsdamer auch unterwegs, als er während des Weihnachtsurlaubs bei seinen Großeltern in Bayern tödlich verunglückte. Am 28. Dezember hatte sein Verschwinden in Weihenstephan bei Landshut eine großangelegte Fahndung ausgelöst. Eine mehr als 20 Beamte starke Sonderkommission der Kriminalpolizei suchte tagelang mit hunderten Helfern nach dem vermisst gemeldeten Jungen, kämmte mit einer Rettungshunde-Staffel die gesamte Umgebung durch. Sie veröffentlichten Fahndungsfotos von ihm und befragten sämtliche Freunde und Bekannte. Auch die Potsdamer Polizei unterstütze die Ermittlungen nach dem jungen Adligen. Der Fall stieß in Bayern, aber auch in Potsdam auf großes Medieninteresse, selbst in deutschlandweit ausgestrahlten Fernsehnachrichten wurde darüber berichtet. Wohl auch, weil Felix einem berühmten, alten Adelsgeschlecht abstammte, dessen Ahnenlinien bis ins dänische Königshaus zurückreichen. Zudem ist er verwandt mit dem Konstrukteur Wernher von Braun, der die nazi-deutsche V2-Rakete entwickelt hatte. Von Brauns Großvater, Wernher von Quistorp, war Mitglied des preußischen Herrenhauses.

Während die Beamten anfänglich nach dem lebenden Jugendlichen gesucht hatten, machten Polizei-Taucher vor einer Woche schließlich die traurige Entdeckung in dem rund zehn Meter tiefen Brunnen auf dem Schlossareal der Großeltern. „Das Hoffen und Bangen hatte ein Ende gefunden“, sagte Pfarrerin Waberski gestern den Trauergästen. Vielleicht sei es ein Trost, dass er den Tod nicht spüren musste. Nach Überzeugung der Polizei ist Felix selbst in den Schacht geklettert und dort aus geringer Höhe gestürzt. Vermutlich hat er sich dabei am Kopf verletzt und das Bewusstsein verloren, so dass der rund 1,80 Meter große Junge in dem nur 1,50 Meter hohen Schlamm am Brunnengrund ertrank. Die Ermittler schließen ein Verbrechen ebenso aus wie einen Selbstmord.

Der Tod des Jungen, hatte in Potsdam Trauer und Bestürzung ausgelöst. Bereits am Montag hatten Schüler und Lehrer in ihrem Gottesdienst zum Schulbeginn nach den Ferien des toten Mitschülers gedacht. Sie hatten in der Schule einen Raum des Gedenkens mit einem Kondolenzbuch eingerichtet. „Die, die Felix nahe standen, werden diesen Schock sicher noch lange nicht verarbeiten können“, sagte Schülersprecher Manuel Stephan. Felix“ Eltern und Geschwister begleiteten gestern seinen Sarg vor die Kirche. Die Beisetzung sollte später im engsten Familienkreis stattfinden. mit dpa

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