Von Guido Berg: Ein liebenswürdiges Haus
Katrin Oggesens „Holzkiste“ verhilft sogar Porsche-Fahrern zu einer korrekten Kohlendioxid-Bilanz
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Wildpark-West - Frank Lloyd Wright ist ihr Vorbild. „Alle Architekten lieben ihn“, versichert Katrin Oggesen. Wright (1867-1959) hatte postuliert, ein Haus sollte organisch eingebunden sein in die Natur und das Gelände. Es solle, einer menschlichen Eigenschaft ähnlich, „liebenswürdig“ sein und den Menschen Freude bereiten. Die verwendeten Baumaterialien sollen sich nicht verstellen; Holz sollte wie Holz und Backstein wie Backstein aussehen.
Mit leichtem Ruck öffnet die Architektin die riesigen Falttüren zur Terrasse und setzt damit fast das gesamte Erdgeschoss unter Frischluft. „Bis die Mücken kommen“, sagt die Architektin und lacht. Möglichst große Räume durch Eliminierung der Innenwände zu schaffen ist auch ein Prinzip von Wright – und Katrin Oggesen ist dem gefolgt: In dem von ihr entworfenen Haus in Wildpark-West sind Wintergarten, Esszimmer und Küche im Grunde eins, lediglich getrennt durch eine Stufe. Die Küchenebene liegt auf einem 40 Zentimeter höherem Niveau.
Es ist das vierte Holzhaus, das die Berlinerin gebaut hat. Allein die Art, wie Katrin Oggesen das Gebäude auf das extremformatige 16 Meter breite und etwa 100 Meter lange Wassergrundstück platziert hat, ist raffiniert. Im Prospekt für den „Tag der Architektur“, wenn das Haus Am Ufer 32a bei Führungen besichtigt werden kann, ist von einer „Holzkiste“ die Rede. Im Grunde ist es das auch, doch dem Besucher erschließt sich das nicht. Nicht von außen, denn er steht entweder auf der Straßenseite und schaut auf eine feingliedrige Fassade, die dem Stil der, wie Katrin Oggesen es nennt, „verspielten Moderne“ folgt. Oder er steht auf der Seeseite; dort aber fächert sich das Haus auf: Leicht ragt der organisch mit dem Hauskörper verbundene Wintergarten hervor, dessen Dach zugleich Balkon ist für das Schlafzimmer im Obergeschoss. Trennwände jenseits des rechten Winkels lassen im Inneren niemals die Idee aufkommen, in einem Haus zu sein, dass im Grunde viereckig ist. Liebenswürdig heißt nicht unbedingt auch langweilig.
Warum Holz? Holzbau ist aufwendig und nicht ohne: Es dürfen keine Wärmebrücken entstehen und schon gar keine Fugen oder Risse, denn: „Der Tod für das Holz ist die Feuchtigkeit“, sagt die Architektin. Zudem ist Holzbau keineswegs billiger als Stein auf Stein, hat aber viele Vorteile. Es lässt sich „wunderbar dämmen“, sagt Katrin Oggesen und hält bei guter Verarbeitung Jahrhunderte. Als Dämmmaterial nutzte die Architektin Holzfasern. Von der ersten Stunde an bietet ein Holzhaus ein gutes Raumklima. Es muss nicht erst austrocknen wie ein Steinhaus.
Die Angst vor Feuer ist weitgehend unbegründet; 30 Minuten halten die von einer Fachfirma komplett angelieferten Wände einen sogenannten Normfeuer stand. Stahl dagegen gibt nach, wenn es heiß wird. „Ein massiver Holzblock brennt nur sehr schwer an“, betont Katrin Oggesen. Das wisse jeder, der schon einmal ein Feuerzeug an ein dickes Stück Holz gehalten hat. „Es passiert gar nichts“, es bilde sich eine dünne Kohleschicht, die nicht brennt.
Wahre Freude an so einem Haus dürften Porsche-Fahrer mit Öko-Gewissen haben. Für den Aufbau einer Gewichtseinheit Holz wird das 1,83-fache an Kohlendioxid benötigt. Ein Kubikmeter Holz bindet 1,15 Tonnen Kohlendioxid. Ein Holzhaus mit 150 Quadratmeter Wohnfläche bindet einem Fachartikel in der Süddeutschen Zeitung zufolge die Menge an Kohlendioxid, die ein Porsche in 30 Jahren ausstößt. Aber das überbietet Katrin Oggesen, die selbst einen Golf fährt, noch locker: Ihr Holzhaus an der Havel hat 240 Quadratmeter Wohnfläche. Erwärmt wird es durch eine technisch anspruchsvolle Wärmepumpe. Einzige potenzielle Kohlendioxid-Quelle im Haus ist ein Kamin.
Katrin Oggesen führt am kommenden Sonntag um 13, 15 und 17 Uhr durch das Holzhaus Am Ufer 32a in Wildpark-West. Wichtiger Hinweis für Fußballfans: Ein TV-Gerät im Haus ist eingeschaltet.
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