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Landeshauptstadt: „Ein Museum braucht Freiheit“

Markus Wicke über das Alte Rathaus, Würste statt Werbung und bürgerliche Geschichte

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Herr Wicke, gestern wurde die restaurierte Atlas-Skulptur auf das Alte Rathaus wieder aufgesetzt. Das war nach einer über zweijährigen Diskussion das erste öffentlichkeitswirksame Bekenntnis der Stadt zum zukünftigen Museumsstandort. Mit welchen Gefühlen haben Sie dieses Ereignis begleitet?

Ich habe mich natürlich sehr gut gefühlt, da dies ein sichtbares Zeichen für die erfolgreichen Bemühungen des Fördervereins des Potsdam-Museums war. Denn ein neues und vor allem größeres Haus für das Potsdam Museum war immer eine unserer zentralen Forderungen.

Also geht die Idee, dass das Potsdam Museum ein größeres Haus braucht, auf die Initiative des Fördervereins zurück?

Ich denke schon. Denn aus diesem Wunsch heraus hat sich der Förderverein im Jahr 2004 gegründet. Ein Museum braucht einen solchen Freundeskreis, das ist eine Selbstverständlichkeit.

War die Freude, die Sie vor dem Alten Rathaus empfunden haben, nicht doch auch ein wenig durch Wehmut geschmälert? Schließlich haben Sie als zukünftigen Standort für das Museum das Brockesche Haus in der Yorckstraße favorisiert.

Ein bisschen Wehmut bleibt, denn die Mehrzahl unserer Mitglieder hatte sich für das Brockesche Haus ausgesprochen. Aber die Entscheidung ist für das Alte Rathaus gefallen. Das akzeptieren wir auch. Dieser Standort gehörte schließlich auch zu den Vorschlägen, die wir gemacht hatten. Es wäre jetzt auch vermessen zu behaupten, das Alte Rathaus wäre kein guter Standort für das Potsdam Museum. Das Haus ist groß und liegt in bester Lage.

Die Entscheidung für den Standort ist gefallen, die Bauarbeiten haben begonnen und in drei Jahren wird das Potsdam Museum aus den engen Räumen in der Benkertstraße endlich in das Alte Rathaus ziehen. Da könnten Sie sich jetzt doch ganz entspannt zurücklehnen und beobachten.

Ganz so einfach ist es nicht. Im Moment sieht es zwar ganz gut aus, aber die Rahmenbedingungen, die die Stadt für ihr eigenes Museum anbietet, sind schwierig. Das Stadtmarketing für kulturelle Einrichtungen ist aus meiner Sicht völlig unzureichend.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Ich war in Magdeburg und habe mir dort die Ausstellung angesehen, die unsere neue Museumsdirektorin Jutta Götzmann kuratiert hat. Dort kommt man am Bahnhof an, geht den Bahnsteig hinunter und sieht sofort ein großes Plakat „Magdeburger Museen“, wo die aktuellen Ausstellungen beworben werden. In Potsdam sieht man am Bahnhof hingegen zuerst die Würste von Fleischer Bendig. Hier präsentiert sich die Stadt nicht mit ihren kulturellen Einrichtungen.

Manches braucht in dieser Stadt etwas länger.

Ja, aber es ist ein Problem. Ich frage regelmäßig in der Verwaltung nach und dann heißt es, dass in einem Monat oder spätestens in einem halben Jahr die Potsdam-Information in den Bahnhof kommt. Doch bisher ist da nichts passiert. Auch das touristische Wegeleitsystem ist ein Ärgernis. Es gibt mindestens fünf Tafeln, auf denen steht, dass sich das Potsdam Museum in der Breiten Straße befindet. Da aber ist es schon seit zehn Jahren nicht mehr. Das sind schwierige und einfach unnötige Begleitumstände, die die Stadt dem Museum selbst schafft.

Das Potsdam Museum hat noch nicht einmal eine eigene Internetpräsenz.

Und auch kein eigenes Logo. So kann das Potsdam Museum nach außen hin kein eigenständiges Profil entwickeln. Das Museum braucht die Freiheit, für sich selbst Werbung zu machen und auch die Öffentlichkeitsarbeit selbst zu gestalten. Das kann nicht immer über die Verwaltung und das Presseamt der Stadt geschehen. Wenn Potsdam ein erfolgreiches Museum haben will, genügt es nicht, eine zusätzliche Direktorenstelle bereitzustellen. Die Stadt muss auch in anderen Bereichen gute Rahmenbedingungen schaffen.

Apropos zusätzliche Direktorenstelle, hat es Sie nicht verwundert, dass die Stadt einen neuen Direktorenposten ausgeschrieben hat, wo es doch mit Hannes Wittenberg einen Leiter für das Museum gibt?

Das hat mich nicht verwundert, da es eine solche Direktorenstelle schon einmal gab. Doch als die letzte Direktorin, Monika Bierschenk, Anfang 2003 in den Ruhestand ging, wurde der Posten nicht wieder besetzt. Die Arbeit der Kollegen im Museum wird durch die neue Direktorin nicht geschmälert. Im Gegenteil, denn bisher mussten die den ganzen Verwaltungswahnsinn zusätzlich bewältigen. Das sind Museumsfachleute, die Ausstellungen machen wollen und Sammlungen vervollständigen. Durch die zusätzliche Direktorenstelle wird jetzt hoffentlich endlich wieder der Freiraum geschaffen, der für eine vernünftige Museumsarbeit notwendig ist.

Begleitet der Förderverein auch die derzeitigen Umbauarbeiten und die Planung der Dauerausstellung bis zur Eröffnung des Museums im Alten Rathaus Anfang 2012?

Wir sind Mitglied im Beirat, der die Entwicklung des Nutzungskonzeptes begleitet hat, und somit auch künftig in die Planungen einbezogen. Wir bringen vorwiegend die Sicht der Nutzer ein. Was meiner Meinung nach aber eine ganz wichtige Perspektive ist.

In welcher Form werden Sie unter diesem Aspekt Einfluss auf die zukünftige Dauerausstellung nehmen?

Da diskutieren wir gern mit, aber die fachliche Planung liegt eindeutig in den Händen der Museumsleitung. Wir werden Anregungen bringen, uns aber nicht einmischen. Ich hoffe, dass es eine ständige Ausstellung zur Stadtgeschichte wird, die sich aber in Teilen auch wandeln kann und so neue Akzente zu setzen versteht.

Stadtgeschichte ist ein dehnbarer Begriff.

Uns ist ganz wichtig, dass die bürgerliche Geschichte der Stadt dargestellt wird. Das kann man bisher in Potsdam nirgends sehen. Der Schwerpunkt sollte dabei auf dem 20. Jahrhundert liegen, denn die Ereignisse aus der Weimarer Republik, dem Dritten Reich und der DDR erscheinen uns am interessantesten, liegen uns am nächsten, sind aber was Potsdam betrifft noch kaum erforscht.

Schwerpunkt bürgerliche Geschichte, wäre das auch ein Alleinstellungsmerkmal, mit dem sich das Potsdam Museum von den zahlreichen Angeboten in dieser Stadt abheben könnte?

Genau. Das ist der Schatz, der in den Depots des Museums liegt. Aber immer als Ergänzung und nicht als Konkurrenz beispielsweise zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten oder dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte.

Sich um ein größeres und repräsentativeres Haus für ein Museum zu kümmern, scheint nicht unbedingt die Hauptaufgabe eines Fördervereins zu sein. Wo werden Sie überall sonst noch tätig?

In den vergangenen zwei Jahren mussten wir uns wegen der Standortdiskussion sehr stark kommunalpolitisch engagieren und in den Ausschüssen und anderen Gremien Flagge zeigen. Doch in Zukunft wollen wir uns wieder auf die eigentliche Kernaufgabe des Vereins konzentrieren: Zusätzliche Gelder für das Museum zu beschaffen und den Freundeskreis auszubauen. Wenn es Anfragen seitens der Museumsmitarbeiter gibt, ob wir sie bei bestimmten Projekten, wie beispielsweise bei der Sonderausstellung mit Fotografien aus Potsdam von 1890 bis1957 aus dem Atelier der Familienbetriebes Eichgrün, versuchen wir das natürlich auch zu unterstützen.

Wobei die Suche nach Spendern und Sponsoren auch sehr frustrierend sein kann.

Bisher war das wegen der ungeklärten Situation über den zukünftigen Standort wirklich nicht immer leicht. Jetzt können wir guten Gewissens sagen: Es gibt ein Haus, eine zeitliche Perspektive und es wird eine Dauerausstellung geben.

Auf wie viele Mitglieder können Sie dabei in dem Förderverein zurückgreifen.

Wir haben 60 Mitglieder. Allein im zurückliegenden Jahr haben wir 20 neue Mitglieder hinzugewonnen. Das zeigt uns deutlich, dass sich durch die Entscheidung für das Alte Rathaus eine gewisse Dynamik entwickelt hat.

Woher kommt dieses Interesse sich ehrenamtlich so intensiv für das Potsdam Museum einzusetzen?

Da gibt es verschiedene Gründe. Es ist aber durchaus auch ein eigennütziges Interesse. Wir wollen die Ausstellungsstücke, die derzeit im Depot lagern, einfach im Museum sehen.

Das Gespräch führte Dirk Becker

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