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Flüchtlinge in Potsdam: Ein neues Bündnis für alles
In Potsdam entsteht eine neue Koordinierungsstelle zur Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Denn fast alle Flüchtlinge wollen Arbeiten, während viele Unternehmen händeringend Arbeitskräfte suchen. Doch die Sache ist kompliziert.
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Potsdam - Ein breites Bündnis aus Wirtschaftsverbänden, kommunalen Vertretern und sozialen Trägern will sich für die Vermittlung von Flüchtlingen in den Potsdamer Arbeitsmarkt einsetzen. Am gestrigen Montag fand unter Federführung der Industrie- und Handelskammer (IHK) die erste Sitzung des Gremiums statt. „Wir haben gemerkt, wie viel Potenzial es in der Stadt gibt“, sagte die IHK-Präsidentin Beate Fernengel. Ziel sei es, alle Kompetenzen im „Bündnis für Beschäftigung“ zu bündeln und dann ein sogenanntes „Welcome-Center“ zu gründen. Dieses soll sich in den Räumen der IHK befinden und Anlaufstelle sowohl für Unternehmen als auch für Flüchtlinge sein. Anfang 2016 kann es vermutlich eröffnet werden.
Bedarf für eine Koordinierungsstelle gebe es sowohl von Seiten der Flüchtlinge als auch der Unternehmen, so Fernengel. Viele Arbeitgeber hätten sie bereits angesprochen, weil sie gerne Flüchtlinge einstellen würden, aber nicht wüssten, wohin sie sich wenden sollten. „Da sind schon einige Dinge schiefgelaufen“. Als Beispiel nannte sie einen Gastronomen, der einen ganz konkreten Asylbewerber einstellen wollte. Obwohl dies rein rechtlich möglich gewesen wäre, scheiterte das Vorhaben an bürokratischen Hürden. „Das war so kompliziert, dass er ihn letztlich nicht einstellen konnte und beide frustriert waren.“ Das sei vor allem deshalb ärgerlich, weil es in vielen Bereichen großen Bedarf an Hilfs- und Fachkräften sowie an Auszubildenden gibt. Allein im Kammerbezirk Potsdam der IHK gebe es 300 Betriebe, die gerne asylsuchende Auszubildende einstellen würden.
Flüchtlinge und Potsdamer Unternehmen sollen Laufzettel bekommen
Dem stünden derzeit 480 Menschen im ausbildungs- oder arbeitsfähigen Alter entgegen, fügte Potsdams Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) hinzu. Sie stehen ebenso wie die Unternehmen vor einem Wust aus unübersichtlichen Regelungen und Anlaufstellen. Geplant ist, Arbeitgebern und Flüchtlingen künftig eine Art Laufzettel in die Hand zu geben, so Müller-Preinesberger. Nacheinander soll dann geklärt werden, wie der Aufenthaltsstatus ist, welche Bildung der Asylbewerber vorzuweisen hat und ob es dazu Unterlagen gibt, wie seine Deutschkenntnisse sind und was für berufliche Ziele der Flüchtling hat. Auch welche Kompetenzen vorhanden sind und wie dies festgestellt werden kann – im handwerklichen Bereich also etwa in einer Werkstatt – soll erfasst werden. Genauso sollen bestimmte „Hindernisse“ für einen Berufseinstieg erfasst werden – zum Beispiel, wenn eine Frau kleine Kinder hat und nicht Vollzeit arbeiten kann. Welche Teilnehmer des Runden Tisches zur Klärung welcher Fragen zuständig seien, werde noch festgelegt, so die Dezernentin. Bis zum nächsten Treffen des Bündnisses in vier Wochen sollen dafür mehrere Arbeitsgruppen gebildet werden.
Das „Bündnis für Beschäftigung“ trage absichtlich nicht den Zusatz „für Flüchtlinge“ im Namen, so Müller-Preinesberger. Denn auch Langzeitarbeitslose und jugendliche Arbeitslose sollen miteinbezogen werden. Auch diese hätten „besondere Bedarfe“ und, wie es im arbeitsmarktpolitischen Sprech heißt, „mehrere Vermittlungshemmnisse“.
Potsdam könnte Vorbild für andere Kommunen werden
Schon jetzt wertet Müller-Preinesberger das Bündnis als großen Erfolg. „Alle waren sich einig, dass sie sich einbringen wollen und dass dies abgestimmt werden sollte“, sagte sie. Teilgenommen hatten neben der Stadt und der IHK auch die Handwerkskammer, der Hotel- und Gaststättenverband, mehrere Träger von Flüchtlingsunterkünften, das Jobcenter Potsdam, die Zukunftsagentur Brandenburg und weitere Unternehmen und Verbände. Ziel sei es, mit dem Projekt auch auf andere Landkreise und kreisfreie Städte auszustrahlen, so die Sozialbeigeordnete. Der Bund habe erst am Wochenende beschlossen, mehr Mittel für die Eingliederung von Flüchtlingen am Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stellen. „Wenn das Geld dann kommt, sind wir gut aufgestellt.“
Auch die Stadtverwaltung selbst soll besser aufgestellt sein, was die Verteilung und Betreuung von Flüchtlingen angeht. Am morgigen Mittwoch sollen die Stadtverordneten beschließen, dass dafür im Rathaus in den kommenden zwei Jahren 32 neue Stellen geschaffen werden sollen. Unter anderem soll die Wohnraumverteilung koordiniert werden – eine weitere Baustelle beim Thema Flüchtlinge.
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