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Aus dem GERICHTSSAAL: Ein Notwehrexzess

Staatsanwalt: Bewährung für Messerstecher

Stand:

Die Spuren auf der Tatwaffe waren nicht eindeutig dem Angeklagten  zuzuordnen. Theoretisch hätte auch Erika B. mit dem Messer zugestochen haben können, als ihr Lebensgefährte versuchte, sie zu vergewaltigen. Doch Richard S. (30) legte am ersten Verhandlungstag ein umfassendes Geständnis ab. Es verkürzte die auf sechs Tage anberaumte Verhandlung vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts erheblich. So konnten am gestrigen dritten Prozesstag bereits Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers halten. Der Vertreter der Anklagebehörde beantragte, den Alkoholiker wegen Körperverletzung mit Todesfolge in einem minder schweren Fall zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne, zu verurteilen. Er ging von einem Notwehrexzess des Angeklagten aus. Richard S. – zur Tatzeit stark betrunken – habe den sexuellen Übergriff seines Nachbarn Frank Bl. (40) beenden und die Frau schützen wollen. Allerdings sei der Einsatz des Steakmessers, mit dem er dem Mann viermal in den Bauch stach, nicht angemessen gewesen. Von einer Tötungsabsicht gehe er dennoch nicht aus, betonte der Staatsanwalt.

Verteidiger Matthias Schöneburg gab zu bedenken, sein Mandant habe nicht mit voller Wucht zugestoßen. Als er das Blut sah, alarmierte er sofort den Rettungswagen. Zudem seien die Verletzungen von Frank Bl. nicht lebensbedrohlich gewesen. (Der Abhängige starb eine Woche nach der Notoperation an einem Herzstillstand, der durch ein Alkoholentzugs-Delirium hervorgerufen wurde.) Richard S. solle die Möglichkeit bekommen, sich zu bewähren und einen Bewährungshelfer erhalten. „Er braucht eine Person, die ihm in schwierigen Situationen des Lebens zur Seite steht. Sozialstunden schaden auch nicht, da mein Mandant momentan keiner Arbeit nachgeht“, erklärte der Anwalt.

Erika B. (52), um deren Person sich der verhängnisvolle Streit am 4. Juni 2007 rankte, blieb der Verhandlung trotz Ladung fern. Es gelang der Polizei auch nicht, die Trinkerin ausfindig zu machen. In ihrer Wohnung in der Charlottenstraße – dem Tatort – hält sie sich derzeit offenbar nicht auf. Einst war sie kurz mit dem Angeklagten liiert, dann lebte Erika B. mit Frank Bl. zusammen. Der soll sie öfter geschlagen und vergewaltigt haben. Am Tattag – so der Angeklagte – habe Frank Bl. der Frau in seinem Beisein Hose und Slip zerrissen. Da sei er dazwischengegangen, habe sich mit dem ihm körperlich Überlegenen geschubst und geboxt. Irgendwann habe er das Steakmesser in der Hand gehabt und zugestochen. „Ich wollte ihn nur verletzen“, beteuerte der Hartz IV-Empfänger zum Prozessauftakt (PNN berichteten).

„Unglückliche Umstände führten zum Tod von Frank Bl.“, führte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer aus. Der Mann trage eine gewisse Mitverantwortung an dem tragischen Ausgang, da sein Körper bereits stark vom Hochprozentigen gezeichnet war. Am Tattag hatte er – wie der Angeklagte und Erika B. – gut drei Promille Alkohol im Blut.

Das Urteil gegen Richard S. ergeht am 19. März. Hoga

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