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Wieder im Zustand von 1910: Der Saal im Vorderhaus der Gedenkstätte Lindenstraße 54 erhielt nach Anleitung von Architekt Dieter Ahting sein historisches Erscheinungsbild wieder. Das Bild im Hintergrund zeigt Carl Christian Horvath.

© A. Klaer

Landeshauptstadt: Ein Saal mit Geschichte

Festakt aus Anlass der ersten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung 1809 in der Lindenstraße 54

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Innenstadt - Die Potsdamer Stadtprominenz gedachte gestern „eines Stücks Geschichte“, an das man bei der Lindenstraße 54 nicht unbedingt zuerst denkt, wie Stadtverordnetenpräsident Peter Schüler (Bündnisgrüne) in seiner Festansprache im neu sanierten Saal der Lindenstraße sagte. Vor 200 Jahren, am 20. März 1809, trat die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung ausgerechnet im Saal der Lindenstraße 54 erstmals zusammen. Eher bekannt ist das ehemalige Kommandantenhaus – im Holländerstil 1737 als barockes Stadtpalais unter dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. erbaut – als Sitz des berüchtigten Erbgesundheitsgerichts, als sowjetisches Geheimdienstgefängnis, als Untersuchungsgefängnis der DDR-Staatssicherheit.

Die Demokratiegeschichte des Hauses soll künftig stärker ins Blickfeld gerückt werden. So werde am 3. Dezember im Obergeschoss der Lindenstraße 54 ein Ausstellungsmodul über das „Haus der Demokratie“ eröffnet – nach der politischen Wende 1990 waren die demokratischen Parteien in das Vorderhaus des „Lindenhotels“ eingezogen.

Stadtparlamentspräsident Schüler und der Potsdamer Bürgermeister Burkhart Exner (SPD) boten den Gästen einen Abriss der geschichtlichen Ereignisse. Der ersten Stadtverordnetensitzung 1809 gingen große Umwälzungen in Europa voraus. Nach der französischen Revolution erklärten sich die Generalstände am 17. Juni 1799 zur Nationalversammlung Frankreichs. Am 26. August 1789 erließ sie die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte. Deren Geist veränderte Europa: Schüler zufolge galt bald die Devise, entweder reformiert sich der preußische Staat, oder er geht unter. Es folgten die Stein-Hardenbergschen Reformen. Die neue Städteordnung von 1808 war Basis für die erste Wahl zur Potsdamer Stadtverordnetenversammlung am 12. und 13. März 1809. Allerdings waren nur 947 von 17 000 Einwohnern stimmberechtigt. Erster Vorsitzender des 60-köpfigen Stadtparlaments wurde der Buchhändler Carl Christian Horvath (1752 – 1837). Jeder Stadtverordnete bekam eine goldene Amtskette, deren Einführung sich jedoch aus Kostengründen verzögerte, wie Schüler in die Richtung des Stadtkämmerers Exner augenzwinkernd sagte.

Exner selbst erläuterte die weitere Geschichte des Hauses: 1817 zog die Stadtverordnetenversammlung ins Alte Rathaus, das bis dahin Gefängnis war. Dafür wurde die Lindenstraße zum Stadtgefängnis – „man tauschte einfach“. Die Lindenstraße war Stadtgericht, Kreisgericht, Landgericht und Amtsgericht. Am 10. März 1934 begann mit der ersten Sitzung des Erbgesundheitsgerichts die totalitäre Zeit des Hauses. 4200 Männer und Frauen verurteilte das Erbgesundheitsgericht zur Zwangssterilisation. Darunter am 8. Mai 1935 auch den 14-jährigen Rudolf H., wie eine gestern eingeweihte Gedenktafel informiert. Nach der Zeit des sowjetischen Geheimdienstes von 1945 bis 1953 war die Lindenstraße 54 Gefängnis und Verhörzentrale der Stasi, der nun durch Architekt Dieter Ahting nach historischem Vorbild sanierte Saal diente der Stasi, wie Exner mit Distanz im Ton erklärte, „als Kulturraum“. Guido Berg

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