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Sport: Ein Schock und zwei Medaillen
Der Auftakt der Schwimm-EM in Grünau wird beinahe von einer Tragödie überschattet
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Berlin - Die Schreie wurden immer lauter. Die Niederländerin Sharon van Rouwendaal gab nach dem Zehn-Kilometer-Auftaktrennen der Schwimm-EM gerade ihr fröhliches Siegerinterview, da schleppte sich Natalie Charlos um die letzte Boje auf der Regattastrecke Berlin-Grünau. Völlig entkräftet versuchte die in Elmshorn trainierende Polin, die letzten Meter hinter sich zu bringen. Vom Ufer aus brüllten Betreuer und Athleten, um die Rettungsschwimmer in den Begleitbooten auf den verzweifelten Kampf der Schwimmerin aufmerksam zu machen. Dann endlich wurde die 21-Jährige bewusstlos aus dem Wasser gezogen. Viel zu spät, fand nicht nur Bundestrainer Stefan Lurz, der das zögerliche Eingreifen der Rettungsschwimmer kritisierte: „Erst die Sonnenbrille abnehmen und dann ins Wasser. Die haben nur zugeschaut, wie das Mädel kämpft.“
Nach Auskunft von DSV-Mannschaftsarzt Alexander Beck geht es der Olympia-15. den Umständen entsprechend gut. Sie sei bereits vor dem Transport in ein Berliner Krankenhaus wieder bei Bewusstsein gewesen. „Sie hat sich überanstrengt, mittlerweile ist sie aber wieder so weit stabil“, sagte Beck.
„Ich hoffe, dass Natalie sich wieder erholt. Sie hat wohl schon Schaum vor dem Mund gehabt. Und das ist sehr kritisch“, sagte Angela Maurer, die als beste Deutsche mit einem Abstand von 4:33 Minuten auf Europameisterin Rouwendaal lediglich als 13. ins Ziel gekommen war. Ein sportlich enttäuschender Start für den Deutschen Schwimmverband. So musste es also wieder einmal Thomas Lurz richten. Und tatsächlich holte der Würzburger beim Fünf-Kilometer-Rennen Bronze. Bester Deutscher war bei dem Wettkampf gegen die Uhr allerdings ein anderer: Der 19 Jahre alte Rob Muffels war zwar gut 20 Sekunden langsamer als Europameister Daniel Fogg aus Großbritannien, aber eben auch die Winzigkeit von acht Zehntelsekunden schneller als Rekordchampion Thomas Lurz. „Seitdem ich Freiwasser schwimme, habe ich davon geträumt, mit Thomas bei einer internationalen Meisterschaft auf dem Treppchen zu stehen“, sagte der zweimalige Junioren-Weltmeister. „Er ist mein Vorbild.“
Auch nach dem Rennen war allerdings der Kollaps der Polin das Hauptthema. „Ich habe schon mal erlebt, wie jemand gestorben ist, weil Leute unachtsam waren“, sagte Lurz. Nicht nur den 34-Jährigen erinnerte die Szene an jenen Oktobertag 2010, als Rettungsschwimmer nach einem Weltcuprennen in den Vereinigten Arabischen Emiraten den Amerikaner Francis Crippen nur noch tot aus dem Meer bergen konnten. Der WM-Dritte von 2009 war untergegangen, ohne dass jemand es bemerkt hatte. „Damals waren ja nur ein oder zwei Boote da. Wenn Du da den Anschluss verloren hast, bist Du allein durch die Gegend geschwommen“, erinnerte sich Bundestrainer Stefan Lurz. „Aber hier waren ja Boote direkt daneben. Das ist das, was mich ärgert. Maximal zehn bis 15 Sekunden – und sie wäre untergegangen.“ Thomas Lurz brachte es anschließend auf den Punkt: „Wir hatten heute sehr, sehr viel Glück.“
Sabrina Knoll
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