Landeshauptstadt: Ein schwerer Gang
Zehn Jahre Suppenküche: „Es wäre schön, wenn wir eine solche Einrichtung nicht bräuchten“
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Nichts von dem ist eingetreten, was die größten Gegner befürchtet hatten, sagte die Sozialbeigeordnete Elona Müller mit gewisser Genugtuung. Gegen die Widerstände – auch aus der Verwaltung – hatten sie und verschiedene politische Gremien sich entschieden, die „Suppenküche“ auf das Gelände der Stadtverwaltung zu verlegen. Der Bereich werde vermüllen, die Männer gegen die parkenden Autos urinieren, die Beete veröden – ein Schandfleck, zitierte Elona Müller die damaligen Kritiker der Pläne. Umgesetzt wurden sie trotzdem. Zum Jahreswechsel war das Sozialzentrum in Trägerschaft der Volkssolidarität in einen einstigen Verwaltungscontainer umgezogen.
Zum gestrigen zehnjährigen Bestehen bot sich ein sehr gepflegtes Bild. Im schmalen Vorgartenbeet steckten Büsche mit orangefarbenen Beeren, dazwischen Sonnenblumen. Hinter dem Sozialzentrum haben die Besucher sich am Fuße von einer Pappelreihe Tische, Bänke und einen Grill hingestellt. „Für viele ist dieser Ort zu einem Stück Heimstatt geworden“, so die Sozialbeigeordnete.
Zehn Jahre Suppenküche. Das erfasst Helga Langreder, die die Sozialeinrichtung ehrenamtlich mit aufbauen half, auch mit Schwermut. „Es erschüttert mich, dass es so etwas überhaupt geben muss“, sagte die 74-Jährige.
Natürlich wäre es schön, wenn man so eine Einrichtung nicht bräuchte, erklärte der Leiter der Suppenküche, Friedhelm Lothar. „Es ist eben, wie es ist“, sagte der Mann in Kochmontur, der täglich die Bedürftigen mit leckerem Essen versorgt. Angefangen hatte die Volkssolidarität 1997 mit einer Wärmestube im Hof des Großen Militärwaisenhauses. Inzwischen ist die Einrichtung zu einem Sozialzentrum gewachsen, in dem einkommensschwache und obdachlose Menschen eine warme Mahlzeit und Kleidung bekommen, Duschen und ihren Tag verbringen können. Außerdem wurde ein Extra-Kinderzimmer eingerichtet, „damit die Kleinen nicht zwischen den Rauchern sitzen müssen“, so Lothar. Der Leiter des Sozialzentrum hat, obwohl er eine ganze Menge Aufgaben zu koordinieren hat, noch ein offenes Ohr für jeden einzelnen Besucher. Er kennt ihre Geschichte. „Wer hier herkommt, hat schon einen schweren Gang hinter sich“, sagte Friedhelm Lothar. Unter seinen Gästen seien die verschiedensten Typen: Aussteiger und Gestrandete ebenso wie Hochschulabsolventen und ehemalige Manager. Viele darunter, die auch aus den alten Bundesländern kämen und hier einen Unterschlupf suchten, erzählte der Leiter. Sie schämten sich. Eine Mutter von fünf erwachsenen Kindern, die regelmäßig käme, mache das heimlich. Ihre Kinder dürften das nicht erfahren, sage sie. „Dabei sind die meisten hier nicht alleine Schuld an ihrem Schicksal“, so Lothar. Nikola Klusemann
Nikola Klusemann
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