Sport: „Ein solches Haus mit Kabinen“
Potsdamer Sport-Union 04 blickt auf hundert Jahre mit Höhen und Tiefen zurück
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Potsdamer Sport-Union 04 blickt auf hundert Jahre mit Höhen und Tiefen zurück Von Henner Mallwitz Wenn morgen auf die „100“ angestoßen wird, so ganz feierlich mit Sekt und Blumen, schwarzem Anzug und großen Worten, werden es die kleinen Gespräche am Rand sein, die das Ganze mit Leben erfüllen werden. Vor allem werden die „Alten“ da sein, um ihrer Potsdamer Sport-Union 04 zum denkwürdigen runden Geburtstag zu gratulieren. Und erzählen werden sie. Von den großen Erfolgen ihrer Fußballer etwa, die vor allem in den 20-er Jahren zum guten Ruf der Sport- Union beitrugen. Mit Größen wie Carl Hartmann, dem ersten Nationalspieler, den Potsdamer hervorbrachte, und der im Zweiten Weltkrieg fiel. Oder Männern wie Willi Marquardt, Hans Schöne und Karl-Heinz Wohlfahrt, die in den 50er Jahren in der deutschen Auswahl kickten. Die Jungen werden zuhören und dann von heute erzählen. Von ihrer Fußballern, die auf Kreisebene leider nicht mit Nationalspielern aufwarten können. Und vor allem von den Hockeyteams, die im Frauen- und Männerbereich heute das Bild der PSU prägen. Die Geschichte der PSU 04 ist eng mit der Geschichte des Sportgeländes an der Templiner Straße verbunden. Obwohl die Gründungsväter des damaligen Potsdamer FC Union im Jahr 1904 vorerst noch mit dem Kleinen Exerzierplatz neben der Sporthalle an der heutigen Heinrich-Mann-Allee vorlieb nehmen mussten. Vereinsmitglieder hatten jedoch auf einer ehemaligen Müllkippe an der Templiner Straße ein Gelände erworben und zwei neue Rasenplätze angelegt. „1912 wurde die dortige Sportstätte mit zwei Plätzen und einem Umkleidehaus ausgebaut“, hat Fußball-Experte Peter Rosenzweig recherchiert. „Am ersten Weihnachtstag 1913 wurde die Anlage mit einem Freundschaftsspiel eingeweiht.“ Elf Jahre erste Fußball-Adresse Für die damalige Potsdamer Turn- und Sport-Union 1860 (PTSU), die bis 1924 unter diesem Namen lief, begann eine erfolgreiche Zeit auf dem Rasen. 1921 besiegte der frisch gebackene Oberliga-Aufsteiger die Männer von Nowawes 03 deutlich mit 8:0 und sorgte damit für einen Einschnitt in der Sportlandschaft der Stadt. Elf Jahre lang waren die Kicker des Vereins die erste Fußball- Adresse in Potsdam und Babelsberg. Erst 1932 stiegen die Unioner aus der Fußball- Oberliga ab. Fünf Jahre zuvor hatte sich die nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Hockey-Abteilung vom Verein getrennt und war dem VfL Sportfreunde 04 im Luftschiffhafen beigetreten. Ein Schritt, den die Turner da schon hinter sich hatten: Sie wurden 1924 ausgegliedert – der Verein nannte sich fortan „Potsdamer Sport-Union 04“. Der Krieg riss auch ins sportliche Leben viele Lücken – Torjäger Carl Hartmann fiel am 24. Juni 1943. Mit dem Kriegsende war vorerst auch das Ende des Platzes an der Templiner Straße gekommen. Sport war auf dem Rasen erst einmal nicht möglich: Eine Flakbatterie hatte direkt in der Mitte des Hauptplatzes einen Scheinwerfer eingegraben. Nachdem der Sport wieder aufgenommen wurde, fanden die ersten Spiele der neu entstandenen SG Potsdam im Luftschiffhafen statt. Erst nach unzähligen Arbeitseinsätzen durch die Vereinsmitglieder entstanden nach und nach ein Rasen- und ein Hartplatz. Zum Punktspielstart der Städteliga „Rund um Berlin“ setzte sich die SG Potsdam am 13. Oktober 1946 mit 5:4 gegen die SG Bernau durch, und die SG Babelsberg fegte die Veltener Kicker mit 10:1 vom Platz. Was folgte, waren Umbenennungen. Im Mai 1949 in die „BSG Konsum Potsdam“, im August 1951 in „BSG Empor Südwest Potsdam“. Die Probleme wurde dadurch kaum geringer: Vor allem machte sich das fehlende Klubhaus bemerkbar. „Da ergab sich 1955 ein Glücksumstand“, erinnert sich Fritz-Joachim Menz, einst Chef des PSU- Nachfolge- und späteren Vorgängerverein Empor. „Die DEFA drehte auf dem Gelände einen Fußballfilm, für den zahlreiche Kulissen aufgebaut wurden, darunter auch ein Klubhaus.“ Das brachte die Sportler auf den Geschmack. „Werner Hempel ergriff damals die Initiative“, so Menz weiter. „Er schaffte es mit Beziehungen und Fürsprachen, dass wir ein solches Haus mit Kabinen, Duschen, Toiletten und später auch einem Gast- und Versammlungsraum erhielten.“ Gleichzeitig wurde die zum Konsum gehörende Empor Südwest mit Empor Nordost (HO) zur BSG Empor Potsdam zusammen gelegt. Weitere Sektionen wie Tischtennis, Schwimmen, Turnen, Gymnastik, Federball, Wasserwandern, Handball und Volleyball bereicherten nun das Angebot des Vereins. Wildschweine nur eines der Probleme Die persönlichen Beziehungen sollten künftig das Vereinsleben prägen – ein Umstand, der überhaupt das gesamte gesellschaftlichen Leben in der DDR durchzog. Und so war es letztlich dem Fußball-Trainer Klaus Kahlisch zu verdanken, dass Empor in den 70-er Jahren eine Flutlichtanlage bekam, die vor allem beim abendlichen Training den Rasen an der Templiner Straße erleuchtete. Ein weiterer Vorteil: Der Verein war fortan zum großen Teil unabhängig von den wenigen öffentlichen Hallen. Der endgültige Verschleiß der Anlage zeigte sich in den Achtzigern. Überanspruchung des Rasens, ständige Wildschweinschäden, Absenkungen und Risse am Haus, das zudem in einer Trinkwasserschutzzone stand: Die baupolizeiliche Sperrung im Wendejahr 1989 war die Folge. Am 23. Juli 1990 wurde die Potsdamer Sport-Union 04 neu gegründet, doch sechs Jahre lang sollten die PSU-Abteilungen auf verschiedene Spielstätten in der Stadt ausweichen müssen. Im Juli 1996 verließen alle Fußball-Teams die PSU und wechselten zum SSV Turbine; der Verein hatte somit für ein Jahr keine Fußball spielende Mannschaft. Letztlich war es wieder ein kleiner Trick, mit dem dem Übel begegnet wurde. Mit der Übernahme des Vereins durch Jürgen Leutz kam 1993 endlich wieder ein Hoffnungsschimmer auf. „Damals hat sich unsere Hockeyabteilung beim Deutschen Hockeybund als Ausrichter der Ordentlichen Mitgliederversammlung auf Bundesebene beworben“, erinnert sich Leutz. „Die Zusage war für die Stadt wie ein kleines Druckmittel, denn so konnten wir ja hier niemanden empfangen.“ Oberbürgermeister Horst Gramlich machte letztlich die nötigen 4,3 Millionen Mark locker, und innerhalb recht kurzer Zeit standen zwei Kunstrasenplätze und ein Rasenplatz. Das Frauen-Hockey-Länderspiel zur Einweihung gewannen die deutschen Damen am 4. Mai 1997 gegen Russland mit 7:2. Das Schmuckstück des Vereins Das nun noch fehlende Schmuckstück, das eigene Vereinshaus mit Klubgaststätte, sollte auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. Der „Goldene Plan Ost“ machte es möglich, und nach zweijähriger Bauzeit wurde das Haus im vergangenen Oktober eröffnet. „Vor allem packten aber alle mit an“, erzählt Leutz. „Mehrere tausend Aufbaustunden unserer Fußball- und Hockeyabteilungen haben das alles möglich gemacht.“ In ihrem hundertsten Jahr zählt die Potsdamer Sportunion zur festen Größe in der Stadt. Rund 450 Mitglieder sind in den fünf Abteilungen Hockey, Fußball, Turnen, Laufen und Tischtennis sowie in der Allgemeinen Sportgruppe aktiv. Die Fußball-Teams spielen alle auf Kreisebene, die Damen- und Herren-Mannschaften im Hockey sind sowohl in der Regionalliga Ost als auch in der Oberliga Berlin aktiv. Eine gezielte Nachwuchsarbeit sei durch die „verlorenen Jahre“ während der Sperrung des Geländes jedoch kaum möglich gewesen, so Leutz. „Das werden wir jetzt verstärkt angehen“, so das Ziel des Vereins. „In diesem Jahr wollen wir es auf 500 PSU-Mitglieder bringen.“
Henner Mallwitz
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