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Landeshauptstadt: Ein Stück vom Kuchen
Die Beelitzer Bäckerei Exner bildet Abiturienten und Jugendliche ohne Schulabschluss aus
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Beelitz - Konzentriert schneidet Laura Claus mit einem langen Messer den Tortenboden in dünne Scheiben. Neben ihr steht eine riesige Schüssel frisch geschlagener Sahne. Heute ist einer der Klassiker dran: Schwarzwälderkirschtorte. Für Laura gleicht die Arbeit an der Torte einem Experiment, das viel spannender ist als es ihr Chemieunterricht jemals war.
Das 18-jährige Mädchen aus dem Landkreis Oberhavel ist eine von vielen Abiturienten, die sich bei der Beelitzer Bäckerei Exner zum Konditor ausbilden lassen. Gute Noten und den höchsten Schulabschluss, davon können Betriebe auf der Suche nach Auszubildenden nur träumen. Immerhin hat die Bäckerei Exner nach wie vor jedes Jahr das Glück, Auszubildende mit Abitur einzustellen. Manche Gymnasiasten bewerben sich auch als Bäckereifachverkäufer. „Aber die meisten wollen in der Konditorei arbeiten“, sagt die Firmenchefin Kathleen Exner. Trotz bundesweitem Lehrlingsmangels ist die Ausbildung nach wie vor sehr beliebt.
Der Weg in die Backstube ist für Laura Claus lang: Unter der Woche fährt sie täglich über 150 Kilometer. „Ich hatte auch ein Angebot bei mir um die Ecke, aber mir war wichtig, dass mir viel erklärt wird“, sagt das Mädchen, das in Eichstädt wohnt und dennoch nach Beelitz zur Bäckerei Exner wollte. Abitur und Lehre ist für sie kein Gegensatz. „Danach kann ich immer noch studieren.“ Jetzt beschäftigt sie sich lieber mit Torten, Keksen und Kuchen. Ihr stehen nach wie vor alle Möglichkeiten offen.
Ganz anders sah das bei einer ihrer Vorgängerinnen aus, die Exner zur Bäckereifachverkäuferin ausbildete. Die 20-jährigen Frau, die ihren Namen in der Zeitung nicht lesen möchte, hatte bei ihrer Bewerbung keinen Schulabschluss. „Als ich die Bewerbung und das Zeugnis sah, wusste ich, dass sie es schwer haben wird, jemals eine Lehrstelle zu finden“, erinnert sich Kathleen Exner. Doch seit die junge Firmenchefin, die früher an einem Berliner Gymnasium als Lehrerin arbeitete, in den Betrieb ihres Mannes einstieg, war für sie klar, dass auch Jugendlichen ohne Perspektive eine Chance gegeben werden muss. „Als Unternehmer hat man eine soziale Verantwortung“, betont die Frau mit den rotblonden Haaren. Jedes Jahr hält sie zwei Lehrstellen im Verkauf und in der Bäckerei für Schulaussteiger frei. Grundsätzlich würde das Unternehmen, das 44 Filialen in Brandenburg und Berlin betreibt, bereits seit fünf Jahren jeden zum Vorstellungsgespräch einladen, der eine ordentliche Bewerbung schickt. Die Idee zu einem solchen Vorgehen sei nicht erst mit den sinkenden Bewerberzahlen entstanden, so Exner.
Bislang haben vier Jugendliche die Chance ergriffen: „Aber nur die Hälfte hat die Ausbildung durchgezogen.“ Manchmal laufe es lange Zeit sehr gut, dann trenne sich der Freund und dann stehen die Jugendlichen morgens nicht mehr auf. Trotz der hohen Abbrecherquote will die Bäckerei Exner mit ihrem Konzept weitermachen. „Wenn sich jemand gut entwickelt, dann ist es die Mühe wert“, erklärt die Firmenchefin. Die junge Bäckereifachverkäuferin ist mittlerweile schon vier Jahre im Betrieb. Auf ihre Schulzeit will sie nicht mehr zurückblicken, nur noch nach vorne schauen und dazulernen.
Um mehr Auszubildende anzulocken, bietet die Bäckerei eine Besonderheit an: Die zukünftigen Fachverkäufer sollen auch das Handwerk des Barista erlernen. Barista sind diejenigen, die professionell Kaffee zubereiten. Dafür schicken die Exners ihre Azubis nach Österreich zu ihrem Kaffeelieferanten. Dort lernen sie drei Tage lang alles Wissenswerte rund um den Kaffee und bringen Wiener Kaffeehaus-Tradition nach Beelitz. Sacher-Torte, Wiener Melange und Krapfen inklusive. E. Schmid
E. Schmid
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