Aus dem GERICHTSSAAL: Ein Unfall und zwei Meinungen Verfahren wegen unklarer Beweislage eingestellt
Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist die Sache klar: Rentner Rudi R.* stieß am 17.
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Aus Sicht der Staatsanwaltschaft ist die Sache klar: Rentner Rudi R.* stieß am 17. September vorigen Jahres beim Ausparken mit seinem roten Daccia gegen einen am Bassinplatz stehenden Mercedes. Obwohl der 75-Jährige den Crash bemerkte und unmittelbar danach von dem vietnamesischen Besitzer des Wagens auf sein Missgeschick aufmerksam gemacht wurde, gab er Gas und fuhr davon. Eine lupenreine Unfallflucht. Dafür sieht der Gesetzgeber Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor.
„An besagtem Ort gab es keine Kollision. Ich bin auch von niemandem angesprochen worden“, so Rudi R. vor Gericht auf. Der Platz auf der Anklagebank behagte dem gelernten Flugzeugbauer und später in wichtigen Positionen Tätigen überhaupt nicht. Bisher ging er straffrei durchs Leben, und das soll so bleiben. Wieso der Vietnamese, der auf dem Wochenmarkt einen Verkaufsstand betreibt, ihn beschuldigt, könne er sich nicht erklären, sagte der Senior. „Diese Schäden stammten vom 21. Mai 2011. Da sind auf dem Flugplatz von Saarmund zwei Flugzeuge ineinandergekracht. Es gab drei Tote“, berichtete der Angeklagte. In seiner Funktion als Fluglehrer sei er damals „über Stock und Stein“ zum Katastrophenort gerast. Später habe er sein Auto versehentlich gegen ein Gartentor gesetzt. „Diese Schäden können gar nicht mit denen übereinstimmen, die an dem Mercedes festgestellt wurden. Der Anstoßwinkel stimmt einfach nicht“, betonte Rudi R.
Weil der polizeiliche Fragebogen zum Unfallhergang penibel und in perfektem Deutsch ausgefüllt wurde, ging die Amtsrichterin davon aus, der vietnamesische Mercedes-Besitzer benötige für seine Zeugenaussage keinen Dolmetscher. Das erwies sich als Irrtum. Der Händler war der deutschen Sprache nur bedingt mächtig. Den Frageboden habe sein Nachbar beantwortet. „Aber ich habe ihm genau erklärt, was passiert ist“, radebrechte der Vietnamese.
„Das ist mir zu heiß. Schließlich habe ich auch eine Fürsorgepflicht Ihnen gegenüber“, erklärte die Vorsitzende dem Zeugen. Es gäbe jetzt die Möglichkeit, die Verhandlung auszusetzen und einen neuen Termin anzuberaumen. Zu diesem müsse dann ein Übersetzer geladen werden. Und es solle ein kraftfahrzeugtechnisches Gutachten eingeholt werden. Das sei teuer und bei einer Schadenshöhe von 700 Euro gut zu überlegen.
„Es gibt auch noch eine andere Möglichkeit“, sagte die Richterin und bot Rechtsanwältin Alexa Graeber die Chance, sich mit ihrem Mandanten zu beraten. Nach kurzer Pause verkündete die Vorsitzende: „Das Verfahren wird mit Zustimmung aller Prozessbeteiligten gegen eine Geldauflage von 120 Euro eingestellt.“ (*Name geändert) Hoga
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