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Der chinesische Journalist und Blogger Michael Anti vor einer Pressekonferenz auf der Internationalen Medienkonferenz "M100 Sanssouci Colloqium" in Potsdam.

© Nestor Bachmann/dpa

Mediengipfel in Potsdam: „Ein Vorbote für ein neues China“

Das Internet als revolutionäre Kraft - brisantes Thema des Potsdamer Medienforums M100. Dieses Jahr wurde der chinesische Blogger Anti von der hochkarätigen Journalisten-Runde ausgezeichnet. Auch als Signal an Peking, mehr Demokratie zu wagen.

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Sanssouci - Journalisten aus aller Welt haben ein Signal von Potsdam aus an China gesendet: Gestern wurde der regimekritische chinesische Blogger Michael Anti auf dem hochkarätig besetzten Potsdamer Mediengipfel M100 mit dem Medienpreis ausgezeichnet. Der 36-jährige Journalist gilt als einer der meistgelesenen Blogger Chinas, der vorzugsweise Filz und Korruption in seinem Land thematisiert. Er ist ein enger Freund des inhaftierten Nobelpreisträgers Liu Xiaobo.

ZDF-Chefredakteur Peter Frey sparte nicht mit Lob, als er am Donnerstagabend in der Orangerie die Wahl des Chinesen begründete: „Michael Anti ist ein Vorbote für ein neues China“, so Frey. Er gehöre zu der Generation von Chinesen, die es als normal ansehen, für ihre Bürgerrechte einzutreten. Dass Anti bei seiner Arbeit derzeit nicht vom chinesischen Staat unter Druck gesetzt würde, mache allen Journalisten Mut. „Der Vorhang der Zensur besteht noch, Anti zieht ihn ein Stück beiseite“, sagte Frey. Er sei einer von mehr als 200 Millionen Internet-Bloggern in China. „Die Bloggs springen an“, sagte Frey, sie übten Druck auf die Politik aus.

Anti bedankte sich für den Preis. Die Auszeichnung sei eine Ehre für ihn und seine Freunde im Kampf für eine freie Zivilgesellschaft. Der Preis sei gleichzeitig eine Möglichkeit, mit der westlichen Welt zu kommunizieren – nicht immer war das für Anti möglich: Ende der 90er Jahre, mit dem Entstehen der ersten Internetcafés in China, hatte er seinen bürgerlichen Namen Zhao Jing aus Protest abgelegt. Im Web fand er Berichte von Dissidenten über das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens. Anti beginnt, politische Kommentare zu schreiben, wird Journalist, arbeitet als Reporter im Irak, ist für die New York Times sowie die Washington Post tätig. 2003 startet er sein Blog. Das ist bald so beliebt, dass Microsoft es auf Druck der chinesischen Behörden vom Netz nimmt. Schlagartig wird Anti damit international bekannt, sein Blog ging wieder online.

„China ist eine komplexe Gesellschaft“, sagte Anti gestern in Potsdam. Der arabische Frühling sei eine Lehre für sein Land, ein Wendepunkt. „Der Westen hat eine Demokratie, die Araber haben eine Demokratie, warum die Chinesen nicht?“, fragte er. Die Demokratie sei ein „universeller Wert“, Redefreiheit ein angeborenes Recht, etwas, für das es sich zu kämpfen lohnt – immer mehr Chinesen würden das erkennen.

„Ich bin stolz, dass wir Anti motivieren konnten, nach Potsdam zu kommen“, sagte Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Mit der Ehrung reiht sich Anti ein in die Liste früherer Preisträger, wie dem Zeichner der Mohammed-Karikaturen, Kurt Westergaard, oder die einst entführte Präsidentschaftskandidatin Kolumbiens, Ingrid Betancourt.

Seit sieben Jahren gibt es M100 in Potsdam. Hauptthema der eintägigen internationalen Konferenz war die Rolle neuer Medien wie Twitter und Facebook für die Revolution in arabischen Staaten. Der Gipfel stand unter der Überschrift „Globale Demokratie – ein Triumph für soziale Netzwerke?“. Zu den Gästen zählten Redakteure von Bild, der Welt, dem Tagesspiegel, Stern, Spiegel, der ARD oder PNN. Auch Ahmed Sheikh, Ex-Chef von Al Jazeera, und Elizaveta Osetinskaya von Forbes Russia oder der ägyptische Blogger Fathi Abou Hatab waren zu Gast. Hauptrednerin war die tunesische Journalistin und Menschenrechtsaktivistin Sihem Bensedrine.

Den Ehrenpreis des Kongresses erhielt der britische Verleger und Journalist Lord George Weidenfeld – einer der Begründer des M100 in Potsdam.

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