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Landeshauptstadt: Ein X zu wenig

Christiane Ohlert kämpft mit neuen Projekten und moderner Schule für ein besseres Oberschul-Image

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Ein fehlendes Kreuzchen hat Christiane Ohlert sichtlich geärgert. Nicht, weil der Fehler unkorrigierbar wäre, sondern weil dieses vergessene X in einer Grafik symbolisch für den Umgang mit Oberschulen in Potsdam ist. Sie werden vergessen. In diesem Fall hatte das Brandenburger Bildungsministerium in der Elternbroschüre „Wie weiter nach der Grundschule“ in einer Grafik nicht dargestellt, dass Schüler mit ihrer Grundschulempfehlung „Fachoberschulreife“ an Oberschulen lernen dürfen. Dies blieb in der Grafik einzig den Gesamtschulen vorbehalten. Ein für Oberschulen „tödlicher Fehler“, sagte Christiane Ohlert, Schulleiterin der Potsdamer Coubertin-Oberschule, gegenüber Bildungsminister Holger Rupprecht.

Der Minister, der am Montag die Schule Am Stern besuchte, tritt seit der Einführung der Schulform Oberschule für deren Stärkung ein. Ein neu aufgelegtes Sonderprogramm soll den Status der Schule und deren Inhalt stärken. Auch die Coubertin-Schule will davon profitieren und die Ausweitung des Projektes Praxislernen auf die 10. Klasse sowie ein Theaterprojekt für die 7. Klasse finanzieren.

„Hier ist die neue Chance erkannt worden, dass wünsche ich mir in allen Oberschulen“, sagte Rupprecht in Bezug auf die Potsdamer Oberschule. Er attestierte seiner früheren Kommilitonin Ohlert eine „sehr überzeugende Arbeit“.

Vier Jahre können die Schüler auf Oberschulen lernen, von der siebten bis zur zehnten Klasse. Bislang machen in Potsdam allerdings nur wenige Schüler davon Gebrauch. Vier von acht Oberschulen sind in diesem Jahr geschlossen worden. Die Schulform hat einen schlechten Ruf und gilt als undurchlässig hin zum Abitur. Dabei, so sagte Rupprecht, „hat jeder leistungsstarke Oberschüler die gleichberechtigte Chance auf ein Abitur“. Dann müsse er nach der Oberschule entweder über Oberstufenzentren – in Potsdam ist dieser Weg seit diesem Jahr nicht mehr möglich – oder über Gesamtschulen die Hochschulreife ablegen. „Das ist ein guter Weg, für viele Kinder auch der bessere“, sagte Rupprecht. Wie Oberschule gut funktionieren kann, habe ihm die Coubertin-Schule gezeigt.

223 Schüler werden dort unterrichtet, nicht immer in einem einfachen Umfeld: Drei der Schülerinnen sind Mütter, 32 Schüler brauchen eine anerkannte sonderpädagogische Förderung, ein Drittel der Schüler nehmen nicht am Mittagessen teil, 56 Schüler sind schon einmal sitzen geblieben und nur die Hälfte der Schüler haben auf dem Anmeldebogen beide Elternteile angegeben. Und das heißt laut Christiane Ohlert nicht, „dass das Familien sind“. Zudem ist das Schulverweigererprojekt Oase an der Schule angedockt, zwölf Aussteiger werden dort betreut.

Dennis aus der 10. Klasse gehört zu jenen, die ein Schuljahr wiederholen müssen. „Mir ist zu spät aufegefallen, dass ich hier für meine spätere Arbeit lerne“, sagt der junge Mann. Er will mehr erreichen als bislang gezeigt, der positive Start ins neue Schuljahr habe ihm gut getan.

Die Schüler profitieren von den Angeboten dieser Schule: Praxislernen von der 7. bis zur 9. Klasse heißt das Zauberwort. Dabei gehen Schüler regelmäßig zum Arbeiten in Unternehmen. 50 Partnerfirmen hat die Schule inzwischen, für Ohlert ein großer Erfolg. Zuletzt sei ein Schüler abgegangen, der sein Projekt im Forsthaus Templin absolviert hat und nun Bierbrauer werden will. Er habe eine Ausbildung gefunden, sagte die Schulleiterin. Ein anderer werde Keramiker, nachdem er im Praxislernen damit vertraut wurde. Die Schüler lernen dadurch neue Berufe kennen, können sich ausprobieren und erfahren, ob ihnen der Beruf Spaß macht und was die dafür mitbringen müssen, sagt die Schulleiterin.

Zu spät kommen dürfen die Schüler allerdings nicht. Erziehung nennt Ohlert das System: Wer morgens bummelt, muss in den so genannten Trainingsraum. Dort gibt es dann eine Eintrittskarte für die begonnene Schulstunde. Ob zehn Sekunden oder fünf Minuten zu spät spielt dabei keine Rolle. Allerdings, wer zum dritten Mal die Schule nach dem ersten Klingeln betritt, der hat eine Fehlstunde.

Viele Dinge werden seit diesem Schuljahr ausprobiert. Gemeinsames Mittagessen aller Schüler der siebten Klasse mit dem Lehrer, Wochenbeginn und Wochenausklang mit dem Klassenrat und zwei Klassenlehrern sowie ein komplett verändertes Zeitraster im Ganztagsbetrieb. Es gibt eine feste Unterrichtstunde Lesen pro Woche, zwei Übungsstunden für jeden Siebtklässler und zwei verpflichtende Freizeitangebote für jeden. Zudem werde an einem Anti-Raucher-Konzept gearbeitet, weil gesetzliche Verbote „erstmal nichts bringen“. „All das ist Bestandteil der Werteerziehung“, sagt Christiane Ohlert. Jedoch nicht von oben herab, sondern gemeinsam mit den Schülern. Die neuesten Projekte heißen AG Fassadengestaltung und Neugestaltung der Außenflächen.

Die Außenflächen werden in Zusammenarbeit mit Landschaftsplan-Studenten der Technischen Universität Berlin gestaltet, im kommenden März sollen die Arbeiten der Studenten und Schüler umgesetzt werden. Geplant ist ein Weidengarten mit Weidenruten, die zu Figuren gebogen werden und innerhalb von zwei Jahren anwachsen und austreiben sollen.

Die Außendarstellung der Schule liegt im Fokus der künftigen Aktivitäten. Schüler der 7. und 8. Klasse beschäftigen sich schon jetzt mit der Gestaltung der Fassade, die vermutlich 2011 saniert werden soll. Ein Vorschlag erinnert in der Gestalt der Fassade an ein Bücherregal.

Diese Darstellung, die Oberschule als Wissensspeicher, wünscht sich Christiane Ohlert überall. Auch im Elternheft „Wie weiter nach der Grundschule“. Zumindest in der Online-Ausgabe hat das Bildungsministerium inzwischen seinen Fehler korrigiert.

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