Links und rechts der Langen Brücke: Ein Zeichen gesetzt
Jan Brunzlow über die Demonstration der Potsdamer gegen Fremdenhass
Stand:
4000 von etwa 144 000 Potsdamern haben gestern Farbe bekannt und sich dem Verlangen nach mehr Zivilcourage gestellt. Ob das viele oder wenige sind, die sich gestern öffentlich gegen Fremdenfeindlichkeit in der Landeshauptstadt eingesetzt haben, mag jeder selbst beurteilen. Zumindest war es ein farbenfrohes und vielfältiges Zeichen, dass solche Taten in der Landeshauptstadt nicht geduldet werden dürfen. Ein Zeichen für die Medien, die Potsdam derzeit als Brennpunkt des braunsten aller deutschen Bundesländer im Fokus haben. Ein Zeichen für die mutmaßlichen Täter und ihr Umfeld, dass dem Rassismus kein Millimeter Raum gegeben werden darf. Es war ein kleines Fest zu einem großen Anlass, gespickt mit Beifall für besonnene Reden.
Erlaubt sein muss nun die Frage, ob der Ort einer solchen Demonstration gegen Fremdenhass, mitten im barocken Stadtzentrum, der richtige ist? In einer Gegend, umgeben vom Bürgertum der Stadt, von zugezogener Wissenschaft, von geringer sozialer Armut. Aufmerksamkeit wird dadurch erzeugt, aber wer wird erreicht?
Geht man diesertage durch die Potsdamer Innenstadt, durch Cafés und Restaurants oder zu Freunden und Bekannten, so hat ein Thema alles andere überlagert – der Überfall vom Ostermontag auf Ermyas M. Diskutiert wird dabei über die soziale Kompetenz von sozial schwächeren Familien, von orientierungs- und ziellosen Jugendlichen und von Dingen, die andernorts anders gemacht werden müssen. Dabei beginnt der tägliche Rassismus womöglich am eigenen Frühstückstisch oder auf Familienfeier, aber allerspätestens im nächsten Café. Orte, an denen nun Farbe bekannt werden muss.
Was nach einer Woche Potsdam im Rampenlicht des öffentlichen Interesses bleibt ist die Erkenntnis, dass hinter den barocken Fassaden so manches bröckelt. Selbst der Oberbürgermeister gestand nach der medialen Themenwoche Rassismus in Potsdam ein, von Berichten über persönliche Schicksale andersfarbiger Potsdamer am stärksten beeindruckt gewesen zu sein. Das waren Berichte, die nur zu sehen sind, wenn man sie auch sehen will.
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