
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Ein Zimmer für die „Urinprobe“
Potsdamer Nachwuchsbands klagen über fehlende Räume für sich und ihre Musik
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Laut scheppert die Snare-Trommel, der Bass dröhnt tief. Zwischendurch kreischt die E-Gitarre. Und die vier Jungs der Band mit dem klingenden Namen „Urinprobe“ nicken zu ihren lauten Punk-Klängen rhythmisch mit dem Kopf. Der Spaß an ihrer Musik ist den 15- bis 22-Jährigen förmlich ins Gesicht geschrieben: Endlich üben. Denn der Proberaum im Lindenpark, der erst im März fertiggestellt worden war, sieht sehr professionell aus: Keine Eierpappe an den Wänden, um Schall zu minimieren, kein modriger Geruch. Und brandneue Instrumente werden gestellt.
Das war nicht immer so. Davor hat „Urinprobe“ im Club 18 am Stern geprobt. „Doch wir haben uns da einfach beschissen gefühlt“, sagt Arthur, der Schlagzeuger der Band. „Man hat uns nicht ernst genommen. Aber vor allen Dingen war der Raum überfüllt. Das hat keinen Spaß gemacht.“ Daher probierte die Punkband den Proberaum im Jugendklub „Hanns Eisler“ des Breitband e.V. in der Waldstadt aus. Doch auch hier sei ein vernünftiges Proben wegen der vielen Bands, die sich den Raum teilen mussten, nicht möglich gewesen, sagt der 18-Jährige. Da ihnen nun die Alternativen ausgingen – jegliche anderen Proberäume in Potsdam wären zu teuer für die Schüler – lagen ihre Instrumente lange Zeit nutzlos in der Ecke. Bis der Lindenpark im März einen neuen Proberaum eröffnete. Und damit das Problem von „Urinprobe“ löste.
„Gerade neu gegründete Bands haben große Probleme, in Potsdam einen Raum zu finden“, findet auch die Indie-Band „Cat7“. Seit 2007 gibt es die Alternativ-Combo schon. Ihren Proberaum hat sie aber seitdem nicht in Potsdam, sondern im 15 Kilometer entfernten Werder an der Havel. Aber sie würden genug Musikbegeisterte in der Landeshauptstadt kennen, die vergeblich auf der Suche sind. „Zwar gibt es im Umland reichlich Möglichkeiten, doch sollten mehr Örtlichkeiten direkt in Potsdam geschaffen werden.“ Doch dass es auch im Umland selbst für etabliertere Bands schwierig ist, einen geeigneten Raum zum Musikmachen zu finden, beweist das Rock-Quartett „Sprachfehler“. Bereits seit drei Jahren proben die vier Musiker nun schon ebenfalls in Werder. Genau dort, wo sie sich auch gegründet haben. „Wir können uns glücklich schätzen, dass wir einen Proberaum für uns allein haben. Das ist uns wichtig, da das teure Equipment nicht jedem anvertraut werden kann.“ Doch der anfänglichen Euphorie über diesen Glücksfall folgte schnell Ernüchterung. „Die Zustände sind miserabel – viel zu große, feuchte Kellerräume. Und die hohe Luftfeuchtigkeit macht unseren Instrumenten den Garaus.“ Doch wenn man sich die Situation in den Potsdamer Jugendklubs ansieht, „hat es uns noch gut erwischt“, so die vier Mittzwanziger. „Die Instrumente, die im Hanns-Eisler-Klub oder im Club 18 am Stern zur Verfügung stehen, sind kaum noch funktionstüchtig. Rockmusik muss dreckig sein. Aber nicht die wenigen Potsdamer Proberäume.“
Unisono klingen die Beschwerden über die Probebedingungen von zahlreichen Musikgruppierungen aus der Landeshauptstadt: Zu wenig Räume. Zu teuer. Zu heruntergekommen. Zudem hat sich die Probesituation verschärft, als in den letzten Jahren auch noch die Räume im Waschhaus und im Archiv wegfielen. „Es ist mittlerweile völlig unmöglich, einen für die Bands finanzierbaren Proberaum in einem nicht allzu heruntergekommenen Zustand zu finden“, meint die Hardcore-Metal-Gruppierung „Face My Fears“. „Anstatt Jugendklub für Jugendklub wegbrechen zu lassen und so viel von dem vorhandenen Geld in die Umgestaltung der Innenstadt zu stecken, sollten Stadt und Land dieses Problem endlich aufgreifen. Wir Bands und wir Jugendlichen brauchen unbedingt mehr Raum“, fordern die Potsdamer.
An Vorschlägen zur Behebung dieses Raum-Mankos mangelt es nicht. Die Initiative Alternative Jugendkultur Potsdam (AJKP), die sich seit Oktober 2008 für die Potsdamer Jugendkultur und ihre Interessen einsetzt, stellte bereits Anfang dieses Jahres einen Plan auf, mit dem sie sich direkt an die Stadtpolitik wandte: Demnach seien schlicht mehr Räume nötig. Diese sollten unter anderem im geplanten Jugendareal „Freiland“ entstehen – falls dieses umgesetzt wird.
Sarah Buschmeier, Mitarbeiterin des Lindenparks, weiß ebenfalls um den fehlenden Platz zum Proben. „Doch als wir im März den frischgebauten Proberaum eröffnen konnten, bekamen wir eigenartiger Weise weniger Nachfragen, als wir gedacht haben. Trotz ausreichender Ankündigung in der Presse.“ Auch „Fleisch“, Sänger des bekannten Potsdamer Rockzirkels „Cherry Bomb“, sieht das Problem nicht nur im Raummangel. „Ja, es müssen definitiv Proberäume geschaffen werden“, findet der 31-Jährige. „Aber da fehlt auch Eigeninitiative bei den Gruppen. Dieses ewige Rumgeheule nervt!“
Die Band feiert im Oktober ihren ersten Geburtstag und kann ihren Proberaum mittlerweile durch CD-Verkäufe und Gagen bezahlen. Am Samstagabend spielen sie auf dem Bassinplatz. Und anschließend, als Special-Guest, auch „Urinprobe“. Dafür proben sie nun in ihrem neuen Raum fleißig.Martin Gätke
Martin Gätke
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