Landeshauptstadt: „Eine andere Liga“
Potsdams Medienbeauftragter Bergfried über Tarantino, die Finanzkrise und die Babelsberg Film School
Stand:
Herr Bergfried, Reporter lagern auf der Jagd nach Brad Pitt vor Studio Babelsberg, mit dem Tarantino-Film „Inglourious Basterds“ erreicht das Studio ein Medieninteresse wie kaum zuvor. Was bekommen Sie als Potsdams Medienbeauftragter eigentlich von diesem Rummel mit?
Eigentlich auch nur das, was in den Zeitungen steht. Diese „Wegelagerei“ ist fast ein wenig kontraproduktiv. Aus meiner Zeit als Geschäftsführer der Studios weiß ich ja, dass unsere amerikanischen Kunden sehr darauf bedacht sind, dass nichts an die Öffentlichkeit kommt.
Stehen Sie mit den Filmteams auch jetzt noch in Kontakt?
Durchaus. Ich finde es natürlich toll, dass Quentin Tarantino da ist. Einen solchen Namen hatten wir in Potsdam bisher nicht. Es gab zwar schon Schauspiel-Stars, aber „Inglourious Basterds“ ist eine andere Liga. Dieser Regisseur mit den entsprechenden Stars und dann auch noch die gemischte Besetzung von amerikanischen und deutschen Schauspielern: Für Tarantino scheint das selbstverständlich zu sein und das finde ich sehr gut.
Haben Sie ihn denn getroffen?
Nein, das nicht.
In Bad Schandau hat sich Tarantino ins Goldene Buch der Stadt eingetragen, der Görlitzer Oberbürgermeister beriet ihn persönlich bei der Drehortsuche. Warum ist Potsdam da so zurückhaltend?
Die Zurückhaltung ist nicht unbegründet. Einerseits ist es schwierig, von außen in die Produktion zu kommen. Andererseits sind auch die Studios vorsichtiger geworden: Denn wir haben schon erlebt, dass Projekte scheitern können. Es reicht heute eben nicht, dass die Tinte unter den Verträgen trocken ist, die Produktion muss auch laufen. Über einen Eintrag ins Goldene Buch könnte man bei Tarantino aber nachdenken, gerade, weil er einen unverkrampften Eindruck macht.
Was bedeutet ein Projekt wie „Inglourious Basterds“ für Potsdam?
Das Yellowpress-Geraschel um Brad Pitt und Angelina Jolie ist ja nur die Spitze des Eisberges. Wirtschaftlich stehen dahinter viel mehr Faktoren als nur die Arbeit im Studio. Ein Beispiel: Beim Film „In 80 Tagen um die Welt“ mit einem Gesamtbudget von 60 Millionen Euro wurde eine Summe von 25 Millionen Euro hier in der Region ausgegeben. Davon sind nur etwa fünf Millionen Euro beim Studio geblieben. Vom Rest profitierten Leihwagenvermieter, Hotellerie, Gastronomie, die freien Mitarbeiter
Freie Mitarbeiter?
So ein Filmstab besteht aus bis zu 300 Leuten. Das sind in der Regel deutsche Freiberufler. Die amerikanischen Kunden wissen mittlerweile, dass sie vor Ort ausgezeichnete Kräfte finden. Nur die Schlüsselpositionen wie Kamera, Regie, Production Designer, der dem Film den Look gibt, werden heute von Amerikanern besetzt. Alle übrigen Mitarbeiter kommen von hier. Babelsberg ist in der Lage, drei Projekte parallel mit solchen Mitarbeitern zu bestücken. Das ist übrigens auch finanziell günstiger für die Produktion.
Macht Ihnen eigentlich die momentane Finanzkrise Angst?
Ja, weil ich nicht weiß, wo das Ganze hingeht. Im Filmbereich wird seit mindestens zwei Jahren schon vorsichtiger investiert. Die ganz großen Budgets wie bei „Titanic“ werden nicht mehr gedreht. Auch inhaltlich ändert sich etwas: Es gibt immer öfter Stoffe aus der Geschichte – wie der Stauffenberg-Film „Valkyrie“ oder eben jetzt Tarantinos Weltkriegs-Drama. Ich glaube, das hängt auch mit dem Älterwerden des klassischen Kinopublikums zusammen.
Das müssen Sie erklären.
Die Zielgruppe der 14- bis 24-Jährigen ist jetzt 18 bis 30 – und es kommen nicht mehr so viele junge Zuschauer nach. Da ändern sich die Gewohnheiten. Heute sind Ballerfilme eher selten geworden. Vielleicht hat es der amerikanische Film jetzt sogar schwerer, das deutsche Publikum zu erreichen. Das Studio guckt natürlich auch nach deutschen Produktionen, aber die amerikanischen sind einfach aufgrund ihrer Budgets das, was ein Studio wie Babelsberg braucht.
Ist absehbar, wie sich die Finanzkrise auf das Studio auswirken wird?
Vom Unternehmen her hat Babelsberg eine gesunde Basis. Charlie Woebcken und Christoph Fisser haben es seit 2004 geschafft, das Studio wirtschaftlich zum Erfolg zu führen. Das alles steht und fällt natürlich mit den ausländischen Produktionen. Ein anderer wesentlicher Faktor sind die Fernsehproduktionen. Mittlerweile hat das Studio sich einen Namen bei RTL, ZDF und anderen Sendern machen können.
Als Sie im Februar Medienbeauftragter wurden, war eines ihrer Ziele, die Arbeit der Filmemacher in Potsdam bekannter zu machen
Ja, ich denke da vor allem an die Dienstleisterberufe: Beleuchter, Bühnenbauer, Kostümschneider. Es ist wichtig, diese Berufe stärker in den Vordergrund zu stellen. Denn was ein Regisseur macht, weiß doch jeder.
Gibt es denn Nachwuchsprobleme im Filmbereich?
Das kann man so nicht sagen. In den Handwerksberufen haben wir immer eine gute Auslastung gehabt. In der Informationstechnologie, zum Beispiel im Special-Effects-Bereich, wird die Luft aber schon dünner. Die Babelsberg Film School wäre da ein schöner Wiederanfang gewesen.
Aber die private Schule für Digitale Produktion konnte wegen der fehlenden Anerkennung durch das Wissenschaftsministerium nicht wie geplant im Oktober starten.
Leider! Ich fände es schade, wenn das Projekt an bürokratischen Auslegungsfragen scheitert. Der Ausbildungsgang der German Film School war immerhin so gut, dass sich Medienboard und Wirtschaftsministerium für einen Neuanfang in Babelsberg eingesetzt haben. Ähnlich innovative Ausbildungsmöglichkeiten gibt es in Deutschland nur noch an der Filmakademie Ludwigsburg. Die Mediadesign Hochschule in Berlin ist aus meiner Sicht ein idealer Träger für die Film School. Auch der Standort in Babelsberg macht Sinn: Allein schon wegen der Nähe zur Hochschule für Film und Fernsehen. Und nun soll alles für die Katz gewesen sein? Das verstehe ich nicht.
Was muss sich sonst noch ändern am Medienstandort?
Die Infrastruktur ist immer noch ein Problem: Vor allem die Anbindung an das Breitbandvideonetz. Das Parkstudio ist mittlerweile dran. Auf dem Gelände von Studio Babelsberg ist ein Anschluss durch das Telekom-Monopol zu teuer und unflexibel. Eine andere Frage ist, wie man den Standort weiter beleben kann. Die Medienstadt ist eine Ansammlung von Büros: Hier arbeiten 2500 Menschen, in Spitzenzeiten sogar mehr. Einkaufsmöglichkeiten, eine Kita wären wünschenswert. Filmparkchef Friedhelm Schatz arbeitet ja daran. Wenn die Initiative aus dem privatwirtschaftlichen Bereich kommt, werden wir das von der Stadt unterstützen.
Das Gespräch führte Jana Haase
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