Von Guido Berg: Eine auf das Auge bezogene Architektur
Christian Wendland, Streiter für das Potsdamer Bauerbe, fordert eine maßvolle Bebauung der Alten Fahrt
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Innenstadt - Wenige Wochen vor dem durch den Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) angekündigten Ausschreibungsverfahren für die Bebauung der Alten Fahrt in Potsdams Mitte regt sich in der Bürgerschaft der Wille nach Mitsprache: So forderte gestern der Architekt Christian Wendland – der zu DDR-Zeiten wegen seiner Kritik am Abriss des Potsdamer Bauerbes im Gefängnis saß – gegenüber den PNN eine maßvolle Architektur für die Alte Fahrt. „Ich warne vor einer allzu großen Investition“, erklärte Wendland: „Keine Friedrichstraßen-Bebauung!“ Es bedürfe einer „auf das Auge bezogenen Architektur“.
Auf keinen Fall sollte das 1945 durch Fliegerbomben zerstörte „Palasthotel“ an der Humboldtstraße 1 heute städtebaulicher Maßstab für die Neubebauung sein. Es habe sich um einen „Klopper“ mit „wilhelminischem Zuckerguss“ gehandelt. Verfehlt wäre es, heute dort „einen modernen Kasten“ in diesen Dimensionen zu errichten. Potsdam könne nicht wie Berlin in quantitativer Hinsicht Größe zeigen, sondern nur in kultureller und funktioneller Hinsicht. „Brillieren durch Geist, Witz und Bildung“, so Wendland. Der Architekt erklärt, für die „Visitenkarte“, für die „Schokoladenseite“ der Potsdamer Mitte, wäre eine zwei-geschossige zurückgenommene Bebauung wie zur Zeit der Schinkelzeit angemessener. Diese habe von der Langen Brücke aus den Blick freigegeben auf das Stadtschloss, anstatt es zu verdecken wie es das „Palasthotel“ getan habe. Die neue Eckbebauung an der Langen Brücke habe sich unterzuordnen unter das Landtagsgebäude. Es müsse erkennbar sein: „Das ist die Hauptsache, das die Nebensache“.
Wendland, wortmächtiger Verfechter der Wiedererrichtung des Potsdamer Stadtschlosses, spricht sich durchaus für moderne Architektur an der Alten Fahrt aus – mit einer Ausnahme: Zumindestens die historische Fassade des ehemalige Barberini-Carrée sollte aus städtebaulich-künstlerischen Gründen wiederentstehen. Zwei Könige – Friedrich der Große und Friedrich Wilhelm IV. – sowie mindestens fünf mehr oder weniger berühmte Architekten und Baumeister – Unger, Gontard, Persius, Hesse, Petzholtz – hätten am Palais Barberini mitgebaut und –entworfen. Das Original in Rom, „eine frühbarocke Begeisterung in Stein“, so Wendland, sei für die Potsdamer Maßstäbe und Verhältnisse in raffinierter Weise verkleinert und verändert worden. Diese Qualität dürfe nicht aufgegeben werden.
Der 70-jährige Architekt fordert für die Alte Fahrt eine kleine, aber extrem hochwertige Architektur. Rendite-Erwartungen, die sich auf Baumassen gründen, könnten enttäuscht werden. „Das funktioniert nicht“, so Christian Wendland. Der Potsdamer empfiehlt, nach einem städtebaulichen Wettbewerb die Gebäude an der Alten Fahrt an jeweils andere Architekten zu vergeben. Fatal wäre eine durchgehende Fensterfront. Vielmehr müsse es „mehrere Handschriften“ geben. Wendland: „Das Auge muss etwas zu futtern haben. Potsdam ist eine Spaziergängerstadt.“
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