Aus dem GERICHTSSAAL: „Eine Backpfeife gebe ich zu!“
Tumult im Saal / Wachtmeister zu Hilfe gerufen
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Ein Musterknabe ist Karsten K.* (39) mit Sicherheit nicht. Der Hartz IV-Empfänger schlägt schon mal zu. Mehrmals wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt, aber auch wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, fortgesetzten Menschenhandels, Förderung der Prostitution, Rauschgiftbesitzes, Sachbeschädigung, Beleidigung, Widerstandes gegen Polizeibeamte und Steuerhinterziehung. Er steht unter mehrfacher Bewährung. Am 19. Mai vorigen Jahres soll der Potsdamer erneut handgreiflich geworden sein, diesmal gegen zwei Nachbarinnen – Mutter und Tochter – Am Stern.
„Ich gebe zu, der Tochter eine Backpfeife gehauen zu haben. Die provoziert und beleidigt mich ständig“, gesteht Karsten K. Laut Anklage soll er allerdings sowohl Karin K. * (41) als auch ihre Tochter Katja * (19) mit Hieben derart traktiert haben, dass sie zu Boden gingen. „Auf den Fotos in der Akte sehen beide Frauen ziemlich übel zugerichtet aus“, gibt Amtsrichterin Kerstin Nitsche zu bedenken. „Woher stammen die blauen Flecke bei der Mutter?“ Karsten K. hat sofort eine Erklärung parat: „Das ist eine schwere Alkoholikerin. Die fällt öfter hin oder stößt sich irgendwo. Ich habe ihr jedenfalls kein blaues Auge verpasst.“ Doch genau das attestierte der Arzt Karin K., zudem Hämatome am linken Oberarm sowie am rechten Bein. Er schrieb sie vier Tage lang arbeitsunfähig.
Als Katja K. im Zeugenstand Platz nimmt, brennt förmlich die Luft. Die 19-Jährige schneidet dem Angeklagten eine Grimasse, beschimpft ihn als Schläger. Karsten K. hält sich zurück. Erregt schildert die junge Frau, Karsten K. habe an besagtem Tag ein Stück Käse nach ihr geworfen, sie danach als Schlampe tituliert. „Ich habe ihn als Arsch bezeichnet. Da hat er ausgeholt und mich mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Ich verlor das Gleichgewicht.“ Ihre Mutter – auf das Geschehen aufmerksam geworden – habe den Angeklagten von ihr weggeschubst. „Da ist er auf sie losgegangen. Die ist über die halbe Terrasse geflogen“, so Katja K. „Bei Ihrer Mutter wurden an dem Vormittag 1,94 Promille festgestellt. Kann es sein, dass sie Koordinationsprobleme hatte?“, fragt die Richterin. Unvermittelt rastet Katja K. aus, sie schreit und weint. Karin K., die vor der Tür auf ihren Zeugenaufruf warten soll, stürzt in den Saal. Sie vermutet, der Angeklagte attackiere ihre Tochter erneut. Vehement weigert sie sich, den Raum zu verlassen. Die Tochter verliert nun völlig die Nerven. Sie brüllt ihre Mutter an. Die Vorsitzende ruft die Wachtmeister. Zu viert bugsieren sie die Frauen auf den Flur. Das Gericht hegt jetzt keinen Zweifel mehr an der Mitschuld der Zeuginnen. Es stellt das Verfahren gegen Karsten K. gegen Zahlung einer Geldbuße von 100 Euro ein. (*Namen geändert.) Hoga
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