Landeshauptstadt: „Eine Drohung ist mir nicht bekannt“
Rechnungsprüfer Stark über das Gewoba-Modell
Stand:
Herr Stark, Sie waren Chef des Rechnungsprüfungsamts, als die Stadt im Jahr 2000 ihrem Wohnungsunternehmen Gewoba GmbH Immobilien im Wert von 120 Millionen D-Mark verkaufte. In einem Bericht haben Sie der Verwaltung zahlreiche Verstöße beim Verfahren nachgewiesen und einen Verkauf des städtischen „Tafelsilbers“ unter Wert festgestellt.
Das entspricht den Tatsachen. Aber alle Grundstücksverkäufe müssen durch die Stadtverordneten beschlossen werden und die kannten unsere Bedenken. Das Rechnungsprüfungsamt ist unabhängig das fachliche Kontrollorgan der Stadtverordnetenversammlung. Die Darstellung, der damalige Oberbürgermeister Matthias Platzeck hätte die Grundstücke in dieser Form verkauft, verärgert mich daher. Platzeck musste zwar die Verträge unterschreiben, aber beschlossen haben 51 Stadtverordnete, darunter der Oberbürgermeister mit einer Stimme. Insofern waren es damals die demokratisch gewählten Vertreter, die entschieden haben.
Warum haben die Stadtverordneten und die Stadtspitze aus Ihrem Bericht – Sie hatten das Verfahren ja schon kritisiert, bevor Beschlüsse fielen – keine Konsequenzen gezogen?
Es war ihnen wichtiger, die Grundstücke schnell zu verkaufen. Die Haushaltslage der Stadt war prekär, es ging den Bach herunter. Für ein korrektes Verfahren hätte jedes Grundstück vor dem Verkauf einzeln in Augenschein genommen und bewertet werden müssen. Außerdem hätte jede Immobilie einzeln verkauft werden müssen statt in Tranchen. Das dauert dann aber sechs Monate oder ein Dreivierteljahr. Diese Zeit gab es nicht.
Ihre wiederholten Hinweise auf Verstöße waren da bestimmt eher störend. Es heißt, der heutige Potsdamer Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der damals Sozialbeigeordneter und Aufsichtsratschef der Gewoba war, habe sogar einen Anwalt gegen Sie eingeschaltet oder damit gedroht.
Eine solche Drohung ist mir nicht bekannt. Es gab mitunter harte und unsachliche Worte. Das tat ein bisschen weh. An einen Anwalt kann ich mich nicht erinnern.
Übte die Stadtspitze unter Platzeck Druck auf Sie aus?
Ich möchte noch einmal betonen: Das Rechnungsprüfungsamt ist unabhängig, da kann kein Druck ausgeübt werden. Das Rechnungsprüfungsamt hat darauf hinzuwirken, dass die Verwaltung fehlerfrei arbeitet, sich nach den gesetzlichen Vorgaben richtet und verantwortungsbewusst mit dem städtischen Vermögen umgeht. Das kann man zwar durch fortwährendes Kritisieren und Nörgeln erreichen. Aber dann ist es meist zu spät. Besser ist es, prophylaktisch zu handeln. In diesem Sinne sind die Ratschläge und Hinweise des Rechnungsprüfungsamtes auch ein Schutz des Oberbürgermeisters. Im Übrigen hat Platzeck weitergeführt, was der Finanzbeigeordnete Hans-Joachim Bosse eingeführt hat. Der Leiter des Rechnungsprüfungsamtes sitzt mit beratender Stimme am Tisch der Beigeordnetenkonferenz. Damit sollte bewirkt werden, dass das Rechnungsprüfungsamt nicht erst Fehler feststellt, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist.
Im Fall des Gewoba-Modells hat das offensichtlich nicht geholfen.
Gegen politischen Willen können die Rechnungsprüfer nichts machen. Im politischen Bereich spielen auch andere Prioritäten eine Rolle. Im vorliegenden Fall war es wohl die möglichst schnelle Sanierung des städtischen Haushaltes.
Nachdem die Stadt die Immobilien an die Gewoba verkauft hat, privatisierte diese 1050 Wohnungen. Sie wurden in zwei Paketen verkauft, beide gingen für insgesamt 26,3 Millionen Euro an die Firma Semmelhaack, mit zehn Prozent „Paketabschlag“. Trotz Vorgaben der EU für Bieterverfahren, die Begünstigungen ausschließen sollen, hat die Gewoba andere Verfahren gewählt, die nun Fragen aufwerfen. Haben Sie dies auch kontrolliert?
Nein, zu meinem Bedauern hat das Rechnungsprüfungsamt kein Durchgriffsrecht zur Gewoba, weil sie eine GmbH und kein Eigenbetrieb ist.
Das heißt, die Gewoba wurde in dem Geschäft durch ihren Aufsichtsrat mit Jakobs an der Spitze kontrolliert.
Ja. Und sie unterliegt selbstverständlich dem Vergaberecht.
Das Interview führte Sabine Schicketanz
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: