
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Eine Frage der Besetzung
Die Strahlkraft des HOT ist verbunden mit seinem Intendanten – jetzt entscheidet sich, ob er bleibt
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Potsdam - Zuschauerschwund, Identitätsverlust und schlechte Bilanzen: Das Hans Otto Theater (HOT) steht derzeit nicht im besten Scheinwerferlicht. Vor diesem Hintergrund bekommt die Entscheidung über die wichtigste Personalie des Hauses besondere Brisanz: Bis Donnerstag muss Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) entschieden haben, ob HOT-Intendant Tobias Wellemeyer über das Jahr 2014 hinaus der künstlerische Kopf des Hauses bleiben soll.
Wellemeyer selbst verkündete dieser Tage, dass eine Vertragsverlängerung nur noch eine Frage von Formulierungen sei. Die Sprachregelung der Stadt: Der Vertrag soll verlängert werden, über die Modalitäten könne zu einem späteren Zeitpunkt verhandelt werden.
Vor allem über die Dauer eines verlängerten Engagements ist in den vergangenen Wochen eifrig diskutiert worden. Denn nach vier Jahren am HOT fällt die Bilanz für Wellemeyer kritisch aus. Unter Stadtverordneten, im Rathaus und selbst im HOT-Kuratorium, dem Aufsichtsrat des Hauses, gibt es zumindestens Vorbehalte für ein bedingungsloses „Weiter so!“ Im Kuratorium gibt es dem Vernehmen nach Stimmen, Wellemeyers Intendantenvertrag nicht gleich um weitere fünf Jahre, sondern zunächst für zwei Jahre zu verlängern.
„Bei dieser Etathöhe erwarte ich mehr Qualität", sagt Ute Bankwitz, Stadtverordnete vom BürgerBündnis. Das vorjährliche HOT-Budget von rund zehn Millionen Euro nährte sich u.a. durch einen Zuschuss der Stadt in Höhe von 7,37 Millionen Euro. Weil das HOT–Betriebsergebnis ein Minus auswies, gab es zudem einen Nachschlag von 260 000 Euro. In den beiden kommenden Jahren soll der städtische Beitrag am HOT-Etat auf 8,2 bzw. 8,3 Millionen Euro erhöht werden.
Doch während die Zuschüsse steigen – auch um Tariferhöhungen und gestiegene Betriebskosten auszugleichen –, sinken im boomenden Potsdam die Zuschauerzahlen. Als Wellemeyer die Intendanz am HOT übernahm, zählte das Haus 120 000 Besucher. Im zweiten Wellemeyer-Jahr kamen nur noch 101 617 Theaterbesucher in die Schiffbauergasse. Knapp 117 000 waren es vor zwei Jahren. Der Theaterchef selbst räumte in der Vergangenheit ein, mit der Resonanz nicht zufrieden zu sein. Doch um die hohe Erwartungshaltung zu erfüllen, die an sein Haus gestellt werde, brauche er mehr Geld.
Kritiker vermissen hingegen eine konzeptionelle Kurskorrektur. Weniger Klientel-, aber mehr Stadttheater wird verlangt. Auch im Rathaus herrscht an exponierter Stelle Skepsis. Stadtkämmerer Burkhard Exner (SPD) scheint zumindest Bauchschmerzen zu haben, dem Theater mehr Zuschüsse ohne weitere Bedingungen zu geben. Was Potsdams Finanzchef „mögliche flankierende Steuerungsmaßnahmen“ nennt, bedeutet schlichtweg mehr Kontrolle fürs Theater: Exner regt eine Unternehmensberatung fürs HOT und eine Zielvereinbarung mit dem Haus an. Außerdem soll die Theaterspitze regelmäßig zum Rapport ins Rathaus – nach Exners Worten zur „systematischen Berichterstattung“. Vertrauen, dass die künstlerische Leitung das Theater in wirtschaftlich sicheres Fahrwasser navigiert, sieht anders aus.
Im Theaterkuratorium werden die lichten Zuschauerränge – vor allem im großen Haus – mit Sorge gesehen. „Die Verantwortung liegt direkt beim Intendanten“, sagt ein Kuratoriumsmitglied. Doch fehle Wellemeyer die Fähigkeit zur Selbstkritik, bedauert Bankwitz. Das nach einer Großen Anfrage ihrer Fraktion gezogene Zwischenfazit des HOT, dass man inhaltlich und ästhetisch mit Berliner Theatern auf Augenhöhe sei, sei ein untauglicher Vergleich. Der Blick nach Berlin habe vor Jahren Potsdam fast das eigene Theater gekostet – bei der Frage, ob die Stadt überhaupt ein neues Haus braucht. Als 2006 das 26 Millionen Euro teure Theater in der Schiffbauergasse eröffnet wurde, zogen auch Anspruch und Hoffnung ein, dass sich hier ein Stadttheater mit eigenem Profil entwickelt. Doch davon sei das HOT weit entfernt: „Seine Funktion als Stadttheater hat es in den vergangenen Jahren zu wenig erfüllt", moniert Bankwitz. Bis auf wenige Inszenierungen sorge das Theater nicht fürs Stadtgespräch. Niemand habe den Eindruck, etwas verpasst zu haben, wenn er nicht da war.
Und offenbar traut die Theaterführung selbst der ästhetischen und inhaltlichen Qualität nicht – zumindest lässt sie sich diese nicht immer angemessen bezahlen: Um Zuschauer zu locken, warb das Theater zuletzt wiederholt mit Freikarten und in sozialen Netzwerken mit Sonderaktion wie: „Fünf Euro für alle Plätze!“ „Eine selbstbewusst Werbekampagne für den eigenen Standort und für ein sichtbares Profil sollte anders aussehen", heißt es aus dem Kuratorium.
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