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Homepage: Eine Frage der Moral

Konferenz zu Rücksicht und Moral an der Uni

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Es gibt eine übergeordnete Moral, die fast überall anerkannt wird. So etwas wie die allgemeinen Menschenrechte finden in unserem Kulturkreis allgemeine Anerkennung. Aber wie sieht es mit jenen Sittenvorstellungen aus, die unterhalb dieser akzeptierten Moral existieren? Am Samstag kamen Studenten und Lehrer auf Einladung des Instituts für Religionswissenschaft der Universität zu einem Fachtag zusammen, um die Grenzen der verschiedenen Moralen zu diskutieren.

Gastgeber Professor Johann Hafner beschrieb in seiner Einführung, dass die verschiedenen Verhaltenscodes lange unbehelligt in ihren subkulturellen Nischen nebeneinander gelebt werden. Heute jedoch treten immer häufiger Fragen „zweiter Ordnung“ auf, jene, die die Moral selbst zum Thema haben. Hafner nannte als Beispiel die Spannungen zwischen Alt und Jung: Wenn die Krankenkasse die Hüftoperation einer 80-Jährigen verweigere, sei das ein Zeugnis für einen Konflikt zweier Generationen, die unterschiedliche Ethiken besäßen. Auch die Religionen durchzögen mit ihren differierenden Vorschriften die Gesellschaft. Was den Moslem Blasphemie ist, ist für seinen Nachbarn nur eine lustige Karikatur.

Immer häufiger komme es in der „Unsicherheitszone zwischen Ethik und Geschmacksfragen“ zu Konflikten. In der Globalisierung markierten die eigenen Moralvorstellungen immer stärker die Gruppenzugehörigkeit. Mit der Folge, dass die moralischen Sekundärtugenden wie Rücksichtnahme, Anstand und Zurückhaltung quer durch alle gesellschaftlichen Kreise Aufwertung erfahren. Manieren kennzeichnen die eigene Gruppe und sind deswegen wieder „in“.

Hermann-Josef Beckers aus Aachen stellte anhand der aktuellen Sinus-Untersuchung vor, welche Werte die unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen bei uns in Deutschland besitzen, und schloss sehr unterhaltsam daraus, wo es zwischen den Milieus zu Reibungen kommen kann. Der Theologe, Mathematiker und Erziehungswissenschaftler selbst wurde kurz nach dem Zweiten Weltkrieg im Rheinischen geboren. „Früher waren die Milieus noch territorial bestimmt“, sagte Beckers und berichtet aus eigener Erfahrung. So gehörte es sich nicht, mit den Kindern aus dem Nachbardorf Umgang zu haben. Im eigenen, katholischen Dorf spielte man nicht mit den „Evangelischen“. Und dann habe es noch zwei „rote“ Familien gegeben. „Mit denen haben wir und die Evangelischen nicht gespielt“, so der Soziologe.

Heute widmen sich private Unternehmen wie das Sinus-Institut, die Milieus des Landes nach Klassenzugehörigkeit auf der einen Seite und nach speziellem Wertekanon auf der anderen einzuteilen. Heraus kommt ein Kartoffeldiagramm, das in der neuesten Umfrage aus dem letzten Jahr zehn unterschiedliche Milieus kennzeichnet. Das Spektrum reicht von „Traditionsverwurzelt“, über die große „Bürgerliche Mitte“ bis hin zu den „Hedonisten“, den „Modernen Performern“ und den „Postmateriellen“, den fortschrittlich denkenden Mitglieder der mittleren Oberschicht. Beckers zeigte eindrucksvoll, dass Experten schon anhand der Möblierung eines Wohnzimmers treffsicher auf die Milieuzugehörigkeit schließen können. Über die zwei Prozent, die dem stabilen Submilieu „DDR-Nostalgiker“ angehören, konnte Beckers nicht viel sagen. Zu weit im Westen würde er forschen. Eine Besonderheit aber zeigte die Sinus-Studie doch: Dieses „Ostmilieu“ sucht sich fast ausschließlich Lebenspartner unter Menschen mit gleicher Moral. Matthias Hassenpflug

Matthias Hassenpflug

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