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Homepage: Eine Frage der Stärke
Mit „Waxy-Gerste“ beschäftigen sich die Forscher der Abteilung „Nachwachsende Rohstoffe“ am Institut für Getreideverarbeitung
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In diesem Jahr wird das Institut für Getreideverarbeitung (IGV) in Nuthetal 50 Jahre alt. Wissenschaftler des Instituts stellen in den PNN ihre Forschungsprojekte vor.
Gerste schmeckt nicht nur, Gerste klebt auch gut. Im Bereich „Nachwachsende Rohstoffe“ am IGV geht es um die Erschließung alternativer Verwendungsmöglichkeiten von pflanzlichen Rohstoffen im Nichtnahrungsmittelsektor. Mittel- bis langfristig kann das zur Lösung von wirtschafts-, umwelt- und gesellschaftsrelevanten Problemen beitragen. Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe erlaubt den Einstieg in eine Kreislaufwirtschaft und steht für nachhaltiges Wirtschaften.
Wie zum Beispiel bei der Gerste: In einem vom Bundeslandwirtschaftsministerium geförderten Projekt erforschen die IGV-Mitarbeiter gemeinsam mit Partnern aus Industrie und von anderen wissenschaftlichen Instituten stoffliche Anwendungsbereiche des Getreides. Im Mittelpunkt der Forschungsarbeiten steht dabei eine neue Gerstensorte, die sogenannte Waxy-Gerste. Sie wurde als neuer heimischer nachwachsender Rohstoff vom Unternehmen Dieckmann Seeds aus dem niedersächsischen Nienstädt gezüchtet - durch klassische Selektion.
„Waxy“ steht dabei für eine spezielle Qualität der in der Gerste enthaltenen Stärke. Während sie bei üblichen Getreidesorten circa 70 Prozent Amylopektin und 30 Prozent Amylose enthält, liegt der Amylopektinanteil von Waxy-Gerste bei 95 Prozent. Das macht diese Sorte als Rohstoff für technische Anwendungen besonders interessant. Sie kann zum Beispiel als Kleber in der Papier- und Wellpappen-Industrie genutzt werden, zur Behandlung von Baumwoll-Stoffen oder als Pudergrundlage für Kosmetik.
Das Institut in Rehbrücke ist in diesem Forschungsverbund zur Waxy-Gerste damit beauftragt, Anwendungen für die Gersten-Neuzüchtung zu erarbeiten. Derzeit wird dabei etwa an Materialgruppen wie zum Beispiel Biokunststoffen, Bindemittel, Dämmstoffen, Erosionsschutz- und Begrünungsmaterialien oder Schaumwerkstoffe gearbeitet.
Die Entwicklung von Werkstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen ist kein Neuland für das IGV: Ein Beispiel ist der patentierte Dämmstoff Ceralith®, der in einem speziellen Extrusionsverfahren aus Getreide und mineralischen Zusätzen hergestellt wird. Ein weiteres Beispiel sind Roggenmehl-Faserplatten zu Schall- und Wärmedämmung. Mit den in Nuthetal entwickelten Herstellungsmethoden sollen die Materialien verbessert werden, das Anwendungsspektrum sowie die Angebotspalette wachsen.
Das kommt auch dem Klimaschutz zugute: So haben die am IGV entwickelten Naturdämmstoffe für den Wärmeschutz eine ausgeglichene Kohlendioxid-Bilanz. Sie können also dazu beitragen, das Ziel einer globalen Verringerung des klimaschädlichen Kohlendioxids zu erreichen.
Internationale Beachtung hat das IGV auch mit den in Nepal bereits erfolgreich eingesetzten Pflanzenfaserplatten für den Erosionsschutz erlangt. Bei der Umsetzung eines Projekts in dem zentralasiatischen Gebirgsland arbeiteten die IGV-Forscher mit der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit und einem Unternehmen vor Ort zusammen. Dabei ging es um die Sicherung eines ausgedehnten Bergrutsches an einem der wichtigsten Highways von Nepal. Um den Hang vom weiteren Abrutsch zu bewahren, wurden das von der IGV GmbH entwickelte Erosionsschutz- und Begrünungssystem aus Roggen und Pflanzenfasern eingesetzt. Die Verlegung dieser sogenannten Rofa-Pflanzplatten mit integrierten Samen war kompliziert, da die Hangneigung der Versuchsfläche 30-50 Grad betrug. In nur wenigen Wochen wurde der Hang grün - wie geplant. Die Verwurzelung der Pflanzen im Boden ist Voraussetzung dafür, dass der Hang nicht weiter abrutscht. Wegen des Erfolges ist in Nepal nun eine landeseigene Fertigung der Pflanzplatten in Vorbereitung.
Aktuelle Forschungen des Institutes betreffen auch Porenbildner für Schleifscheiben, mit denen eine Lockerung der Scheiben ohne hohe Temperaturen möglich ist und so Energie eingespart wird. Die Porenbildung in den Scheiben ist notwendig, damit später der Abtransport des Schleifabfalls gewährleistet wird. Außerdem werden am IGV Produkte für die Papier-, Pappen-, Farben- und Bauindustrie entwickelt. Uwe Lehrack
Der Autor ist Leiter des Forschungsbereiches Nachwachsende Rohstoffe der IGV GmbH und langjährig in diesem speziellen Bereich tätig.
Uwe Lehrack
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