Sport: Eine Frage des Gefühls
Diskuswerfer Clemens Prüfer vom SC Potsdam holte Silber bei den Olympischen Jugendspielen in Nanjing und tritt jetzt unter anderem gegen seinen älteren Bruder Henning an
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Wenn er den Schritt in den Diskusring macht, um die richtige Ausgangsposition zu finden, fährt Clemens Prüfer seine Konzentration noch einmal auf Hochtouren. „Sobald ich aber den ersten Fuß setze, schalte ich den Kopf aus und denke erst nach dem Abwurf wieder“, erzählt der Werfer des SC Potsdam. Diskuswurf sei immerhin eine Frage des Gefühls. Körpergefühl für die schnellen Drehungen, Fingerspitzengefühl für die richtige Flugbahn – beides ist Clemens Prüfer mittlerweile in Fleisch und Blut übergegangen.
„In dem Moment, wenn der Diskus die Hand verlässt, merkt man, ob es ein guter oder schlechter Wurf ist“, erklärt der 17-Jährige. Mit einer Abweichung von zwei bis drei Metern könne er dann schon einschätzen, bei welcher Weite die flache Scheibe wieder runter kommt. „Am Anfang ist es ziemlich schwer, das Ding überhaupt zum Fliegen zu bekommen“, erzählt Prüfer. Dieses spezielle Gefühl für den Diskus habe er eigentlich schon immer irgendwie gehabt, sagte er, obwohl es ihn zunächst in eine ganz andere Leichtathletik-Richtung – den Mehrkampf – zog.
„Es ist gut, eine Ausbildung in vielen Disziplinen zu haben. Es kommt mir heute noch zugute, dass ich auch ein Jahr lang Laufen und Springen gemacht habe“, meint Prüfer, denn für das Werfen benötigt er solide koordinative Grundlagen. Doch mit den immer besser werdenden Ergebnissen mit dem Diskus und der Kugel folgte Clemens Prüfer seinem älteren Bruder Henning vor gut drei Jahren zunächst in diese leichtathletischen Disziplinen und im Sommer 2013 dann auch an die Potsdamer Sportschule. „In Neubrandenburg wären die Möglichkeiten für Kugelstoßen besser gewesen, hier in Potsdam für Diskuswerfen“, meint der Zwölftklässler. Mit dem Wechsel nach Potsdam fiel somit auch die Entscheidung zum Diskus.
Es war eine Entscheidung, die sich bereits ein Jahr später auszahlte. Denn neben seinem Bruder Henning, der im Juli dieses Jahres bei der Weltmeisterschaft der U20 in Eugene (USA) die Silbermedaille holte, gehört inzwischen auch Clemens Prüfer zu der Nachwuchselite der deutschen Werfer.
In dieser Saison treffen sie als Konkurrenten in der Altersklasse U20 aufeinander. Von Rivalität zwischen ihnen ist nichts zu spüren. „Ich bin eigentlich mehr aufgeregt, wenn ich bei Hennings Wettkämpfen zuschaue als bei meinen eigenen.“ Ob er angespannt vor dem Laptop den Live-Stream im Internet verfolgt oder per Internet-Telefon Skype mit Vater Lutz im Stadion verbunden ist – die mit Silber gekrönten Wettkämpfe seines Bruders in Eugene und bei der U18-WM in Donezk (Ukraine) hat er natürlich verfolgt.
Eine silberne Medaille markiert auch Clemens Prüfers bisherigen sportlichen Höhepunkt: Bei den Olympischen Jugendspielen im chinesischen Nanjing im August 2014 wurde er ebenfalls Zweiter. „Das war ein super Erlebnis, wenn auch der Wettkampf an sich nicht unbedingt einfach war“, erzählt der gebürtige Rostocker. Mit zwei Fehlversuchen startete er in das Diskus-Finale. „Da habe ich vermutlich genau das Falsche gemacht und zu viel nachgedacht, um es möglichst gut zu machen.“ Nach einem „Sicherheitswurf“ im dritten Versuch konnte er im vierten und letzten Durchgang mit einer Weite von 63,52 Metern zunächst die Führung ergattern, musste jedoch letztlich den Chinesen Yulong Chen (64,14 Meter) vorbeiziehen lassen.
Doch jetzt, wo Clemens Prüfer das Gefühl kennengelernt hat, auf der großen internationalen Sportbühne erfolgreich zu sein, hat sich sein sportliches Ziel, einmal bei den „richtigen Olympischen Spielen“ dabei zu sein, im Kopf des 17-Jährigen festgesetzt. „Das ist immerhin der Traum eines jeden Sportlers“, meint er. Um dieses zu erreichen, müsse er im Training noch zulegen. Die Luft nach oben sei definitiv noch vorhanden und für die Kraft, die er für das Werfen braucht, kann er trainieren. Das Gefühl für den ganz großen Wurf hat er schon. Chantal Willers
Chantal Willers
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