Landeshauptstadt: Eine gute Mischung
Vor 55 Jahren hat Erich Schröter Senior die Bäckerei eröffnet, heute bäckt die dritte Generation an den Öfen im Hinterhof
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Seit sieben Stunden stehen Andreas und Matthias Schröter in der Bäckerei. Sie kneten Teig, schleppen Mehlsäcke hin und her, backen Brötchen, Torten und Weihnachtsgebäck. Es ist sechs Uhr morgens, der Großteil der Arbeit ist geschafft, in der Backstube duftet es nach Brot und Kuchen. Während verschlafene Potsdamer im Dunkeln durch die Straßen hasten, sind die Vitrinen im Laden eingeräumt und die letzten rosa Marzipanrosen warten auf ihren Platz auf der bestellten Festtagstorte. Es ist ein ganz gewöhnlicher Morgen in der Bäckerei Schröter in der Innenstadt. Nachts wird gebacken, tagsüber ausgefahren und verkauft – das ist seit 55 Jahren so.
Erich Schröter Senior hat den Laden damals an dieser Stelle eröffnet, nachdem er aus Jüterbog gekommen war. Vieles hat sich seitdem verändert, nicht alles. Manch Rezept ist noch von Opa Erich, erzählt Andreas Schröter, der gemeinsam mit seinem Bruder Matthias in der Backstube das Sagen hat. Vor drei Jahren hat der heute 26-Jährige seinen Bäckermeister gemacht, sein fünf Jahre älterer Bruder ist Konditormeister. Eine gute Mischung, wie Vater Erich Schröter findet. Denn das Handwerk sei schwieriger als früher. Jeden Tag ist der Backofen inzwischen an, auch nachts wird gearbeitet, seit das Nachtbackverbot aus DDR-Zeiten nach der Wende abgeschafft worden ist.
Früher, das ist in der Backstube hinten am Laden noch an einigen Stellen sichtbar. Eine Brötchenmaschine aus dem Jahr 1983 steht beispielsweise in der Backstube und knetet jeden Morgen die Schrippen. Ostschrippen? Nein, sagt Erich Schröter. Es sei „eine gesunde Zwischenlösung“ aus der altdeutschen Schrippe und der aufgepumpten Westschrippe. Viele Hotels wollten für ihre Gäste keine Ostbrötchen. Daher sei ein Kompromiss gefunden worden. Der Kunde ist König.
Trotzdem sind Schröters Absatzmengen im Vergleich zur DDR-Zeit zurückgegangen. Bei Schrippen etwa verzeichnet er deutlichen Rückgang, obwohl das Angebot vergrößert wurde. Habe es früher fünf Sorten Brötchen gegeben, seien es jetzt zwanzig. Grund zum Jammern gebe es aber nicht. In diesem Jahr hat Erich Schröter zumindest bei den Pfannkuchen wieder aufgeholt: Es sind am 11.11. so viele gefüllte Teigbällchen verkauft worden wie vor 20 Jahren. Trotz des großen Wettbewerbs in dieser Stadt. Inzwischen gibt es mehr als 80 Backwarenverkaufsstellen in Potsdam, bei nicht mal einer Hand voll wird noch am Laden produziert.
17 Mitarbeiter hat die Bäckerei Schröter heute, dazu zählen auch fünf Auszubildende. Es sei schwieriger geworden, Azubis zu finden, sagt Erich Schröter. Die Arbeitszeit sei das Hauptproblem. Denn inzwischen arbeiten die Bäcker ab 23 Uhr bis in die Morgenstunden. Seit sieben Stunden stehen auch René Lindner und Andreas Schröter an den Tischen, inzwischen backen sie Stollen. Nach traditioneller Art. Seit Jahren backt sein Haus den Fünf-Meter-Stollen zum Beginn des Weihnachtsmarktes in der Innenstadt, hochgelobt ist das Gebäck. Jan Brunzlow
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