Landeshauptstadt: Eine neue Köpenickiade
Stadtkonservator Kalesse: Infotafel für den „Hauptmann“ ungenehmigt angebracht
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Die Informationstafel, die seit Sonntag im Holländischen Viertel an den Hauptmann von Köpenick erinnert, wurde illegal angebracht. Dafür gebe es keine denkmalrechtliche Genehmigung, teilte Stadtkonservator Andreas Kalesse mit. Ob der Schuster Wilhelm Voigt Teile der Uniform für seinen Gauner- und Geniestreich vom 8. Oktober 1906 wirklich in der Altuniformhandlung von Berthold Remlinger in der Mittelstraße 3 gekauft hat, sei unbewiesen. Vergeblich habe die Stadtdenkmalpflege seit 1993 dafür einen eindeutigen Beleg gefordert. Er sei von den Antragstellern bis heute nicht beigebracht worden, so dass einer Informationstafel an der Barockfassade des Holländerhauses nach wie vor nicht zugestimmt werden könne.
Für den Verein AGAPHI, der die Tafel initiierte, kann Hans-Peter Warnecke dagegen auf die Zustimmung der Gedenktafelkommission und des Bereichs Marketing/Kommunikation der Stadtverwaltung verweisen. Allerdings hatte die Kommissionsvorsitzende Dr. Edeltraud Volkmann-Block darauf aufmerksam gemacht, dass die Zustimmung der Denkmalpflege eingeholt werden müsse. Der Marketingbereich fügte der Genehmigung Hinweise zum Format, zum Material und zur Aufschrift der Tafel hinzu. Sie müssen dem neuen Informationstafelprogramm der Stadt entsprechen, mit dem Besucher über die Geschichte wichtiger Bauten und deren prominente Bewohner unterrichtet werden sollen. Diese Auflagen habe man eingehalten, betont Warnecke. Dennoch, hält Kalesse dagegen, hätte die denkmalrechtliche Genehmigung eingeholt werden müssen. Er nannte drei Adressen, die für Voigts Uniformkauf in Frage kommen: die Jägerstraße 18, die Charlottenstraße 31 und eben die Mittelstraße 3. Für alle drei Standorte tauchen Remlingers als Geschäftsinhaber auf.
Durch Einblick in alte Adressbücher und durch die Befragung von Nachkommen ergibt sich jedoch ein anderes Bild: In der Jägerstraße 15 (nicht 18) befand sich eine von einem Cousin Berthold Remlingers betriebene Goldschmiede. In der Charlottenstraße 31 richtete Remlingers Sohn Bruno nach 1945 einen Schilder-, Stempel- und Trödelladen ein, den er bis zu seinem Tode 1966 offen hielt. Ab den 20er Jahren hatte er bis Kriegende das Militäreffektengeschäft in der Nauener Straße 55 (heute Friedrich-Ebert-Straße) an der Ecke Mittelstraße geführt. Bleibt also nur die Mittelstraße 3. Dies bestätigte Rosemarie Remlinger, Enkelin Berthold Remlingers, bereits 1977 den „Neuesten Nachrichten“. Ihr Vater Bruno hatte 1906 als 19-Jähriger den „Hauptmann“ beim Kauf des Uniformrocks beraten. Durch an Berthold Remlinger, Mittelstraße 3, gerichtete Post, so eine Postkarte aus dem Jahr 1914, wies nun auch Bruno Remlingers Schwiegertochter Gertraud gegenüber PNN den Standort nach. Ein weiteres wichtiges Indiz dafür befindet sich im Potsdam-Museum, konnte aber bisher nicht aufgefunden werden. Berthold und Bruno Remlinger hatten 1906 durch ihre genaue Beschreibung Wilhelms Voigts Anteil daran, dass der falsche Hauptmann gefasst werden konnte. Dafür erhielten sie eine amtliche Belobigung, die die Familie Ende der 50er Jahre an das Museum übergab.
100 Jahre nach seinem Streich sorgt Schuster Wilhelm Voigt, der in Hauptmannsuniform in Köpenick die Stadtkasse ausraubte, nun in Potsdam durch den „Tafelstreit“ für neue Aufregung. Wird die Tafel wieder entfernt? Damit könnte die Potsdamer Bürokratie für eine neue Köpenickiade sorgen.
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