Landeshauptstadt: Eine rührige Diebesbande
Drei Angeklagte aus der Haft vorgeführt/Prozess wird fortgesetzt
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Drei Angeklagte aus der Haft vorgeführt/Prozess wird fortgesetzt AUS DEM GERICHTSSAAL Von Gabriele Hohenstein Wegen Bandendiebstahls verhandelt die 2. Große Strafkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Dr. Klaus Przybilla seit gestern gegen vier gebürtige Potsdamer. Den jungen Männern wird vorgeworfen, zwischen dem 28. November 2002 und dem 10. Juli 2003 mit wechselnder Tatbeteiligung in Geschäftsräume und Arztpraxen Potsdams sowie des Umlands eingebrochen zu sein, dort vorrangig Computertechnik gestohlen und weiterveräußert zu haben, um von dem Erlös ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Die Langfinger sollen auch mehrere hochwertige Autos „geknackt“ und verkauft haben. Es war eine ellenlange Anklage, die Staatsanwalt Peter Mitschke am zeitigen Nachmittag verlas. So legte er dem Haupttäter Marcus W. (22) – er sitzt seit dem 13. August vorigen Jahres in der Justizvollzugsanstalt Wulkow in Untersuchungshaft – insgesamt 15 besonders schwere Diebstähle sowie eine räuberische Erpressung zur Last. Andreas D. (21) und Giso K. (27) sollen sich je sieben mal an fremdem Eigentum bereichert, Silvio M. (27) sechs derartiger Straftaten begangen haben. Besonders gute Beutezüge zeichneten sich laut Staatsanwaltschaft durch einen Ertrag von rund 20 000 Euro aus. Doch die zum Tatzeitpunkt arbeitslosen Bandenmitglieder waren auch mit weniger zufrieden. Für Lebensmittel, Zigaretten, Alkohol und Drogen reichte der Erlös allemal. Zum Prozessauftakt erklärten die Verteidiger, ihre Mandanten würden sich vorerst nicht zu den Vorwürfen äußern. Dem hielt der Kammervorsitzende entgegen, ein frühes Geständnis – auf jeden Fall vor der ansonsten nötigen umfangreichen Beweisaufnahme – wirke sich auf jeden Fall strafmildernd aus, spare zudem Kosten und Zeit. „Alle vier Angeklagten werden die Chance erhalten, nach Verbüßen ihrer Strafe in die Gesellschaft zurückkehren zu können“, betonte Dr. Przybilla. Ein Geständnis am zweiten Verhandlungstag sei aus Sicht des Gerichts noch nicht zu spät. Danach sei der in Aussicht gestellte „Rabatt“ - er könne im Einzelfall bis zu drei Jahre betragen – allerdings hinfällig. So plauderten die Angeklagten gestern erst einmal aus ihrem Leben. Marcus W. verbrachte sechs Jahre im Kinderheim, schaffte nach neun Schuljahren nur den Abgang der siebenten Klasse. Zwei abgebrochene Lehren folgten, die Wohnung wurde ihm wegen Mietschulden gekündigt. Insgesamt steht er mit rund 18 000 Euro bei verschiedenen Gläubigern „in der Kreide“. Andreas D. lebt als einziger des kriminellen Quartetts derzeit auf freiem Fuß. Allerdings besitzt auch er bereits „Knast-Erfahrung. Er schmiss seine Lehre zum Karosseriebauer, ist seit dem Sommer 2002 arbeitslos. Demnächst hat er allerdings die Möglichkeit, die Ausbildung in einem anderen Betrieb zu beenden, beteuerte er. Silvio M. wurde – wie seine Kumpane Marcus W. und Giso K. – in Handfesseln in den Gerichtssaal geführt. Auch er befand sich drei Jahre seiner Kindheit in einem Heim, pfiff auf die Lehre, jobbte dann als Möbelpacker, bis ihn eine widerrufene Bewährung hinter „schwedische Gardinen“ brachte. Derzeit sitzt er in Strafhaft, absolviert hier eine Ausbildung zum Hochbaufacharbeiter. Ähnlich turbulent verlief das bisherige Leben des Giso K. – derzeit in U-Haft. Seit dem 14. Lebensjahr allein auf sich gestellt, rutschte er irgendwann in kriminelle Milieu ab. Die Verhandlung wird am 14. April fortgesetzt.
Gabriele Hohenstein
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