Homepage: Eine sexy Professur
An der Universität Potsdam wurden zwanzig neue Professorinnen und Professoren begrüßt
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Die Intelligenz spielt keine Rolle bei einer Rechenschwäche, stellt Antje Ehlert fest. Vielmehr sind die Aufmerksamkeit und das Arbeitsgedächtnis hier primäre Faktoren. Antje Ehlert ist eine der 20 Professorinnen und Professoren, die in diesem Jahr neu an die Universität Potsdam berufen worden sind. Inklusionspädagogik nennt sich der spezielle Bereich der Pädagogik, den Ehlert und der ebenfalls frisch berufene Christian Huber unterrichten. Dieser neue pädagogische Ansatz geht davon aus, dass es keine Kinder mit Sonderstatus, also „Behinderte“ gibt, sondern alle Kinder spezielle Fähigkeiten und Begabungen haben. Diese gelte es, individuell in der gemeinsamen Schulklasse zu fördern.
Wie vermittle ich Kindern, die Schwierigkeiten mit dem Rechnen haben, schon früh grundlegende Mathekenntnisse? Das möchte Antje Ehlert in ihrer Forschung herausfinden. „Mathe habe ich schon im Abitur geliebt“, stellte die Wissenschaftlerin fest. Sie habe aber nie daran gedacht, Mathematik zu studieren. Rechenexempel, Formeln und die Vermittlung von Mathewissen blieben für Ehlert jedoch auch dann spannend, als sie zunächst eine Ausbildung als Rehabilitationspädagogin abschloss. An der Universität Potsdam vermittelt sie Lehrern der ersten bis sechsten Klasse, wie diese individuell auf die einzelnen Schüler, die Schwierigkeiten mit dem Rechnen haben, eingehen können. Um zu erkennen, woher die Rechenschwierigkeiten kommen, müsse die gesamte Entwicklung des Kindes betrachtet werden, erklärt Ehlert. Hatte es in der Vorschule die Möglichkeit, sich mit Rechnen auseinanderzusetzten? Wie ist es um die Aufmerksamkeit und das Arbeitsgedächtnis des Kindes bestellt? Hierzu müsse die Forschung noch angemessene Testverfahren entwickeln. Auch andere Wissenschaften müssten miteinbezogen werden: die Hirnforschung, die Psychologie. „Jeder Forscher hat seine eigene Sichtweise, das Problem zu erklären“, hat Ehlert erkannt. Allerdings sei der Fortschritt an den Schulen auch eine Frage der Ressourcen: „Den Inklusionslehrer gibt es noch nicht.“
Auf einen bisher weithin unbeachteten Forschungsbereich hat sich Hugues Lantuit spezialisiert. Die polaren Küsten mit ihrem Permafrost untersucht der deutsch-französische Geowissenschaftler. „Potsdam ist da sehr gut aufgestellt“, weiß Lantuit. Seine Professur hat die Universität gemeinsam mit dem Alfred-Wegener-Institut berufen. In den Dauerfrostgebieten Sibiriens und bei den Küstenregionen der Polargebiete vermutet Lantuit den Schlüssel zum Verständnis der Klimaveränderungen in Europa. „Ungefähr fünf bis sechs Wochen im Jahr verbringe ich in der Arktis oder in Sibirien“, erzählt Lantuit. Denn in den Küstenregionen der Eismeere und in Sibirien ließe sich sehr genau beobachten, welche Veränderungen der Klimawandel mit sich bringe.
Der permanente Frost reiche in den Polargegenden bis zu 1500 Meter tief. Dort, wo die eisigen Küsten ans Meer stoßen, werde der Boden durch den Frost zusammengehalten. Weil aber die Tauwetterperioden länger würden, spüle das Meer den aufgetauten Boden von den Küsten fort. In Sibirien würden gegenwärtig Böden tauen, in denen seit Jahrhunderten durch permanenten Frost viel Kohlenstoff gespeichert sei. Dieser werde nun freigesetzt. Das führe zur Anreicherung der Atmosphäre mit Kohlenstoff. Nur die Abgase von Fabriken und Fahrzeugen entließen noch mehr Schadstoffe in die Atmosphäre.
Im Bereich der Permafrost- und Arktisforschung ist Potsdam mit dem Alfred-Wegener-Institut zusammen mit Fairbanks in Alaska führend, so Lantuit. „Die Lage Potsdams an der Schnittstelle zwischen Ost und West hat den Ausbau der Forschung in der Nachwendezeit begünstigt“, meint der Forscher. Das gelte auch für die Forschung zum Permafrost. Dessen Bedeutung für das weltweite Klima sei noch nicht hinreichend untersucht worden. „Deshalb habe ich meine sexy Professur bekommen“, sagt der smarte Franzose mit einem Augenzwinkern.
Die Begrüßung der neuen Professoren stand im Zeichen der Kooperation der Universität mit Südafrika. Von den Versuchen in Südafrika, Abraumhalden neu zu bepflanzen, die nach dem Abbau von Rohstoffen entstanden sind, berichtete der Geowissenschaftler Oswald Blumenstein. Der Gold-, Diamanten- und Plantinabbau hinterlasse in Südafrika ebenso tote Landschaften wie die Braunkohleförderung in Deutschland. Deshalb sei es plausibel, dort ähnliche Konzepte zur Wiederbelebung der Natur anzuwenden.
Oliver Günther, der Präsident der Universität Potsdam, wies schließlich einmal mehr auf die schwierige Finanzlage der Universität hin. Möglicherweise werde ein Beraterkreis der Industrie, der sich in der Gründung befinde, hier neue Impulse geben können. Richard Rabensaat
Richard Rabensaat
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