
© Olaf Möldner
Von Thomas Gantz: Eine undankbare Sache
Oliver Bräutigam begegnet seinem Hallen-Landesmeistertitel im Hochsprung mit routinierter Distanz
Stand:
Wohl keine andere technische Disziplin der Offenen Berlin-Brandenburgischen Landesmeisterschaften in der HallenLeichtathletik litt am vergangenen Samstag derart an der Vorhersehbarkeit ihres Verlaufes wie der Hochsprungwettbewerb der Männer. Sechs Berliner Springer waren in die Leichtathletikhalle des Luftschiffhafens gekommen, um Oliver Bräutigam dem Titelgewinn streitig zu machen. Der 19-jährige Lokalmatador vom SC Potsdam kannte einige von ihnen flüchtig. Er war der jüngste Teilnehmer der Konkurrenz und hatte vorab mit einem Wettkampf gerechnet, der im Extremfall über zwei Stunden hätte gehen können.
Es kam anders. Bräutigam benötigte für den Titelgewinn zwei gültige Sprünge und holte sich mit überquerten 2,04 Metern die Goldmedaille. Als er erstmals überhaupt Anlauf nahm und seine Anfangshöhe von 1,99 Metern mühelos meisterte, stand er schon als Gewinner fest. Nach nur vierzig Minuten war der Wettkampf beendet. Bräutigam war dreimal an der für ihn ansonsten in Wettkämpfen zum minimalen Standardrepertoire zählenden Höhe von 2,08 Metern gescheitert. Die Tatsache, wie distanziert er das Geschehene bewertete, zeugte von erstaunlicher Abgeklärtheit.
Vor einem Jahr hatte er an Ort und Stelle einmal 2,15 Meter überquert. Seine persönliche Bestleistung datiert vom März 2009. 2,18 Meter hatte er damals beim Traditions-Hallenmeeting in Arnstadt bewältigt. Der gebürtige Spremberger, der mittlerweile beim SC Potsdam eine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann durchläuft, stand damit quasi an der Schwelle zum Eintritt in den nationalen Spitzenbereich einer Disziplin, die auf Grund ihrer Komplexität im technischen Ablauf auch immer Raum für sogenannte schlechtere Tage bereithält. Bräutigam, der beim SC Potsdam gemeinsam mit der Trainerin Doreen Lehnigk und den Springerinnen Annett Engel und Judith Schwerdtner eine bestens harmonierende Trainingsgruppe bildet, hat diese Erkenntnis längst mit Routine verinnerlicht. Vorgestern schien es dennoch so, als sei ihm die Siegerhöhe ein wenig peinlich. Und so lenkte er hinterher im Gespräch die Gedanken gleich weg von einer an sich undankbaren Sache wie diesem Wettkampf.
Bräutigams Gedanken lösten sich und er sprach davon, mit Freude registriert zu haben, dass der Berliner Marius Hanniske am Vortag mal wieder von sich hören lassen hat, indem er 2,20 Meter gesprungen ist. In Potsdam war er nicht dabei „Mir fehlt im Großraum Berlin-Brandenburg ein Hochspringer, mit dem ich mich austauschen und an dem ich mich orientieren kann“, sagt der sich demnächst auf die in Karlsruhe stattfindenden Deutschen Hallenmeisterschaften vorbereitende Athlet. Bräutigam braucht für seinen Ehrgeiz ein entsprechendes Podium. Am kommenden Freitag wird er es haben. Er ist zu einem international besetzten Meeting nach Dresden eingeladen. Der Potsdamer will mehr davon. Er will sich zeigen und beweisen. Ist gar London 2012 noch ein Thema? Er lächelt. Und zwar so, dass seinem Gegenüber keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit bleiben, mit der er an der Realisierbarkeit eines Olympiastartes arbeiten wird.
Thomas Gantz
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