Von Klaus G. Strassmeier: Eine unwirtliche Welt
Der extrasolare Riesenplanet CoRoT-Exo-2b umkreist einen sonnenähnlichen Mutterstern
Stand:
Im gegenwärtigen Jahr der Astronomie berichten Potsdamer Astrophysiker regelmäßig in den PNN von ihren liebsten Himmelskörpern.
Könnte man zum Planeten „CoRoT-Exo-2b“ reisen, so würde man den Aufenthalt wohl nicht lange überleben. Seinen Namen trägt er von seiner Entdeckung im Dezember 2007 mit dem französisch-europäischen Satelliten CoRoT, der den Himmel nach extrasolaren Planeten, also Planeten außerhalb unseres Sonnensystems, absucht. Ähnlich wie der Jupiter die Sonne umkreist, so zieht CoRoT-Exo-2b seine Bahnen um einen anderen Mutterstern. Allerdings ist CoRot-Exo-2b seinem Stern dabei fast 200 Mal näher als der Jupiter der Sonne. Durch die Messdaten des Satelliten ergaben sich Dimensionen des Planeten, die mit den gängigen Modellen für Wasserstoff-Helium Planeten nicht erklärt werden können. Er misst stattliche eineinhalb Jupiterradien bei mehr als dreifacher Jupitermasse. Damit ist er 30 Prozent zu groß für seine Masse. Für diese Dimensionen ergibt sich eine mittlere Dichte von 1,3 Gramm pro Kubikzentimeter. Dies ist beinahe identisch der unseres Jupiters aber nur etwa ein Viertel der mittleren Erddichte. Astronomen erwarten daher eine Temperatur auf der Oberfläche von 1200 Grad Celsius, in etwa dem Schmelzpunkt von einfachem Eisen. Eine unwirtliche Welt. Grund genug, den Mutterstern (CoRoT-Exo-2a) gründlich zu untersuchen.
Der Riese CoRoT-Exo-2b wurde durch Helligkeitsmessungen seines Muttersterns entdeckt. Der Planet zieht auf seiner Umlaufbahn alle 1,7 Tage vor dem Stern vorbei und bedeckt dabei für den Beobachter ein Teil des Sternlichts. Wir beobachten dadurch einen periodischen Einbruch in der Helligkeit der Lichtkurve. Diese Messungen erscheinen auf den ersten Blick verwirrend, denn es wird nicht nur das Licht des Muttersternes durch den vorüberziehenden Planeten regelmäßig bedeckt, sondern der Mutterstern selbst hat sich außerdem als veränderlich herausgestellt. Diese Variabilität schwankt obendrein aber erscheint mit einer Periode von etwa 4,2 Tagen. Derartige Helligkeitsschwankungen sind bekannte Signaturen für Astrophysiker die sich mit sonnenähnlichen Sternen beschäftigen.
CoRoT-Exo-2a hat nichts anderes als Sternflecken! So wie unsere Sonne Sonnenflecken hat. Flecken sind lokale Gebiete kühlerer Temperatur, die entstehen, wenn ein Plasma in seiner freien Bewegung von einem Magnetfeld behindert wird. Der konvektive Anteil des Energietransports aus dem Sterninneren wird unterbunden und für den Beobachter erscheint der Ort des ansonsten unsichtbaren Magnetfelds nunmehr kühler. Die Sternoberfläche bekommt dabei auch eine „Delle“, wie man bei der Sonne beobachten kann, da an dieser Stelle nicht nur die Temperatur, sondern auch die Dichte und der Druck gegenüber der Umgebung sinken. Durch die Rotation des Sternes kommt ein Sternfleck einmal in das Gesichtsfeld des Beobachters und verschwindet nach einer halben Umdrehung wieder auf der uns abgewandten Seite. So modulieren Sternflecken das Licht des Sternes, und der Stern erscheint uns als Veränderlicher.
Astronomen haben nun clevere mathematische Methoden entwickelt, um diesem periodischen Lichtwechsel noch wesentlich mehr Informationen zu entlocken. So können in Computersimulationen mehrere Flecken auf der Sternoberfläche so lange vergrößert und verkleinert, kühler und heißer gemacht sowie hin und her positioniert werden bis die Computerlichtkurve mit der beobachteten Lichtkurve exakt übereinstimmt. Das Ergebnis zeigt, dass CoRoT-Exo-2a nur Flecken bei zwei bestimmten Längengraden hat, etwa 180 Grad voneinander getrennt, und dass die Flecken des einen Längengrades eine Rotationsperiode des Sternes von 4,522 Tagen und die des anderen Längengrades eine Periode von 4,554 Tagen ergeben.
Die einfache Erklärung ist, dass unterschiedliche Zonen der Oberfläche unterschiedlich schnell rotieren, so wie bei unserer Sonne. Die Flecken der beiden Längengrade liegen also einfach auf unterschiedlichen Breitengraden und rotieren daher unterschiedlich schnell. Bei der Sonne benötigt der Äquator etwa 25 Tage für eine Umdrehung während die Polregionen etwa 30 Tage benötigen. Kennt man die Breitengrade bei der die Rotation gemessen wurde, kann man diese differenzielle Rotation auch bei anderen Sternen bestimmen. Leider sind bei CoRoT-Exo-2a diese Breitengrade nicht bekannt. Nimmt man aber solare Analogie für das Vorkommen von Flecken auf CoRoT-Exo-2a an, also etwa am Äquator für die eine Länge und etwa 45 Grad für die andere Länge, ergibt sich bei einer gemessenen Periodendifferenz von 0,7 Prozent eine differenzielle Rotation die etwa 15 Mal schwächer ist als bei der Sonne.
Dieser Wert wäre aber etwa fünf Mal kleiner als unsere eigenen Modellrechnungen in Potsdam vorhersagen. Wir haben daher die Daten nochmals mit einer gänzlich anderen, unabhängigen Methode untersucht. Bei dieser Methode wird der CoRoT-Datensatz in alle denkbaren Perioden, die von Flecken verursacht werden können, zerlegt und dann zeitabhängig durch den ganzen Datensatz hindurch verfolgt; immer auf der Suche nach jener Periodenkombination und Zeitabhängigkeit, die dem Datensatz mit seinen Fehlern am besten entspricht. Und in der Tat erhalten wir nun einen dritten Fleck mit einer Periodendifferenz, die etwa vier bis fünf Mal größer ist, und damit der Theorie besser entspricht. Diskussionen mit anderen Kollegen sind nun im Gange und wir werden sehen wer recht hatte. Eines ist aber jetzt schon sicher, wir werden eine Menge über CoRoT-Exo-2a und die Physik rotierender Plasmen lernen.
Der Autor ist wissenschaftlicher Direktor am Astrophysikalischen Institut Potsdam (AIP) und Professor für Astrophysik an der Universität Potsdam.
Klaus G. Strassmeier
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: