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Unruhe vor dem Gottesdienst. Rund 20 Unterstützer protestierten am Freitagabend erneut für die Stadtteilpfarrerin vor dem Bürgerhaus am Schlaatz.

© Johanna Bergmann

Landeshauptstadt: „Eine von uns“

Die ehemalige Stadtteilpfarrerin Ute Pfeiffer hat immer noch viele Fans im Schlaatz. Das passt nicht allen

Stand:

Schlaatz - Wortlos stehen die Demonstranten im Bürgerhaus am Schlaatz und bilden ein Spalier. „Helft uns“, steht auf den Plakaten und „Ute Pfeiffer gehört zum Schlaatz“. Gleich beginnt im Bürgerhaus der erste Gottesdienst nach der Freistellung der Stadtteilpfarrerin Pfeiffer – mit dem Geistlichen Andreas Markert. Er ist Pfarrer in der Sternkirchengemeinde, zu der auch der Schlaatz gehört. Sicherlich belasteten ihn die Proteste, sagt Markert am Abend sichtlich angespannt. Er selbst habe nichts mit der Entscheidung zu tun und müsse damit nun umgehen.

Die Protestler wollen noch immer „ihre Pfarrerin“ zurück, die ab 1. November freigestellt wurde – bei vollen Bezügen bis Juli 2016 (PNN berichteten). Superintendent Joachim Zehner, auch Vorgesetzter von Pfeiffer, hatte die Entscheidung mit unterschiedlichen Auffassungen über ihre Arbeit im Kiez begründet.

Doch was ist hier los? Warum demonstrieren Anwohner vor einem Gottesdienst? Warum hängen die Menschen so an ihrer Pfarrerin und warum bleibt die Evangelische Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz bei ihrer harten Position, sich von ihr zu trennen?

Es ist nicht leicht, sich ein Bild zu machen von den Menschen in dem Plattenbauquartier, das Anfang der 1980er- Jahre errichtet wurde. Fest steht, Pfeiffer erreichte Menschen, deren Leben nicht immer einfach ist. Hohe Arbeitslosigkeit, viele Kinder leben im Kiez, mit 13,3 Prozent gibt es hier einen relativ hohen Ausländeranteil. Die Wahlbeteiligung war zuletzt sehr niedrig. Bei der Kommunalwahl 2014 machten die meisten ihr Kreuz bei der Linkspartei (36,4 Prozent).

Man kennt sich aber auch und hilft sich gegenseitig. „Wir haben Pfeiffer vertraut. Sie war eine von uns“, heißt es immer wieder, wenn man Menschen nach ihr fragt. „Hier ist es wie in einer großen Familie“, sagt ein Schlaatzer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Das ist schon ein besonderer Menschenschlag.“ Stadtteilmanagerin Kathrin Feldmann, seit 17 Jahren im Quartier in der sozialen Arbeit tätig, sieht das ähnlich. Man spreche eine direkte Sprache. Das habe Pfeiffer gekonnt. Dass nun Menschen für eine Geistliche demonstrieren, wie zuletzt auf der Kreissynode und jetzt zum Gottesdienst, sei sehr ungewöhnlich.

Jedenfalls engagierte sich Pfeiffer enorm während der Wochen der Suche nach dem sechsjährigen Elias, der am 8. Juli im Schlaatz entführt und Ende Oktober tot aufgefunden wurde. So war sie tagelang über Stunden bei den freiwilligen Helfern, um sie in Gesprächen zu unterstützen. Das wird ihr noch heute hoch angerechnet. Wer der Stadtteilpfarrerin einmal begegnet ist, stellt schnell fest, dass sie nicht auf den Mund gefallen ist und oft sagt, was sie denkt. Sie wirkt durchsetzungsstark und tut das, was sie für richtig hält. Im Schlaatz kam sie damit gut an.

So war es auch Anfang November, als klar war, dass Elias ermordet wurde und Anwohner sich spontan vor dem Bürgerhaus zusammenfanden, um gemeinsam zu trauern. Die kleine robuste Frau stand am Geländer einer kleinen Treppe, auf der viele Blumen, Stofftiere und Briefe abgelegt waren. Viele kamen zu ihr, umarmten sie zur Begrüßung. Es ging nicht um Kirche, um Religion, es ging um Menschlichkeit und Zuhören. Sie war Teil der Gemeinschaft, auch wenn da schon klar war, dass sie den Posten der Stadtteilpfarrerin im Projekt „Kirche im Kiez“, initiiert durch die Sternkirche und geleitet vom Kirchenkreis, abgeben musste.

Nicht gut kommt die evangelische Kirche weg. Menschen am Schlaatz fühlen sich alleingelassen mit ihrer Trauer um Elias. Zwar versicherte Markert, dass er zur Verfügung stehe, wenn er gebraucht werde. Zu ihm fehlt denen, die Pfeiffer wollen, aber das Vertrauen. Zudem warten sie noch immer auf Antworten auf Briefe, die sie etwa an Bischof Markus Dröge und den Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche (EKD) Heinrich Bedford-Strohm geschickt hatten. Ihre Sprecher sicherten Antworten zu. Besonders Bedford-Strohm könnte wohl darauf hinwirken, dass die Freistellung von Pfeiffer infrage gestellt wird.

Nicht jeder im Schlaatz kenne Pfeiffer, sagt Stadtteilmanagerin Feldmann. Auch protestiere nicht das gesamte Viertel für sie. Natürlich habe Pfeiffer polarisiert und sei nicht jedermanns Liebling gewesen. „Aber wenn ich weiß, dass jemand noch nicht mal zwei Jahre im Gebiet ist und so eine Aktion auslöst, da muss ja irgendwas dahinterstecken.“ Vielleicht sei es ihre Art gewesen, wie sie hier agiert habe. „Sie kommt und krempelt die Arme hoch. Das ist etwas anderes, als wenn jemand zum Gottesdienst ruft“, versucht Feldmann zu erläutern, warum die Menschen so an Pfeiffer festhalten.

Das erklärt aber noch nicht, warum die Kirchenführung sich von ihr trennen wollte. Markert und Superintendent Zehner waren offenbar nicht mit ihrer Arbeit zufrieden. So sollte Pfeiffer in der Flüchtlingsunterkunft arbeiten, was diese ablehnte und stattdessen das Nachbarschaftscafé mit aufbaute. Dort seien zu jeder Zeit auch Flüchtlinge gewesen und hätten Kontakte geknüpft, sagt Stadtteilmanagerin Feldmann.

Oder waren es vielleicht doch persönliche Gründe, stimmte die Chemie einfach nicht? War Pfeiffer zu eigenständig? Schließlich war die Stelle im Kiez lange mit einem Diakon besetzt, der anders als eine Pfarrerin weisungsgebunden ist. Laut Zehner wird überlegt, im Schlaatz wieder einen Diakon einzustellen. Pfeiffer habe die Kirche interessant gemacht, sagt jedenfalls einer ihrer Anhänger. Und die Reaktion des Kirchenkreises sei genau das, was er an der Kirche ablehne.

Aber gerade jetzt, nach dem Tod des sechsjährigen Elias, werde sie gebraucht, sagte Feldmann. „Die Helfer befinden sich in einer emotionalen Schleife. Da kommen sie alleine nicht raus.“ Auch Feldmann demonstrierte am Freitag für Pfeiffer – und mit ihr mehrere Flüchtlinge. Am anschließenden Gottesdienst wollten sie nicht teilnehmen.

Stefan Engelbrecht

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