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Links und rechts der Langen Brücke: Eine Zäsur

Michael Erbach sieht im Rettungsversuch für den SV Babelsberg 03 einen Neuanfang für Politik in der Landeshauptstadt

Stand:

Was in diesen Tagen in Potsdam geschieht ist die größte politische Zäsur seit 1998, als Oberbürgermeister Horst Gramlich – auch wegen der Potsdam-Center-Schwarzbauaffäre – per Bürgerentscheid abgewählt wurde. Zuvor war der umtriebige heimliche Oberbürgermeister, Baustadtrat Detlef Kaminski, über eine Immobilienaffäre gestolpert. „Peter der Große“, wie der übermächtige Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen genannt wurde, musste wegen der Spitzel-Affäre zurücktreten – nun steht Oberbürgermeister Jann Jakobs wegen seines Zauderns in der Affäre unter Druck. Gestern der mögliche Befreiungsschlag: Der in Finanznöte geratene Fußball-Drittligist SV Babelsberg 03, dessen Aufsichtsratschef Paffhausen war, soll mit bis zu 700 000 Euro aus dem städtischen Haushalt unterstützt werden, damit es sportlich zumindest in der Fußball-Regionalliga weitergehen kann. Darauf haben sich Jakobs und die Fraktionen verständigt, am Mittwoch soll das Stadtparlament dies beschließen.

Was das mit einer Zäsur zu tun hat – hier wird ja nur einem Verein geholfen? Ein Blick auf die Babelsberger Verhältnisse der vergangenen Jahre zeigt den Unterschied: Ja, den Fußballern des SVB gelang es, sich nach der Insolvenz von 2003 wieder nach oben zu arbeiten, am Ende bis in die 3. Profiliga aufzusteigen – die Mannschaft konnte sogar die Klasse halten. Der SVB spielte dabei mit dem kleinsten Etat im deutschen Profi-Fußball – aber Geld war da. Niemand fragte groß, woher es kam, sicher war nur, dass die Stadtwerke der Hauptsponsor waren, der Geldfluss über Paffhausen lief. Hauptsache, der Ball rollte. Wenn alles klappt, wird der Ball im „Karli“ auch weiter rollen – doch die Umstände werden anders sein. Keine Kungelei mehr in Hinterstübchen, keine Abhängigkeit mehr vom Wohl und Wehe eines Einzelnen, keine Absprachen mehr darüber, dass mögliche Aufträge auch von der Höhe des Sponsoring abhängen könnten. Drei Gewinner könnte es geben: Den Verein selbst, der in der Regionalliga zu einem sportlichen Neuanfang finden könnte, die fantastischen Fans des SVB, die sich fantasiereich für den Erhalt des Klubs einsetzen – und den Potsdamer Souverän, das Stadtparlament. Die Stadtverordneten nämlich bestimmen jetzt, was aus dem SVB werden könnte und stellen ihre Bedingungen. Eine davon ist Transparenz. Jakobs könnte mit dem Rettungsschirm für den SVB selbst etwas für seine Rettung getan haben. Entscheidend ist: Sportpolitik wird wieder von Stadtpolitikern gemacht. Eine Zäsur. Diese Machtübernahme muss Schule machen für Politik in dieser Stadt.

Michael Erbach

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