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Von Jan Brunzlow: Einen Euro bitte

Maserati-Affäre sorgt für weniger Spenden bei der Tafel / Lebensmittel für Bedürftige nicht mehr kostenlos

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Der Verein Potsdamer Tafel wird seine Lebensmittel künftig nicht mehr kostenlos an Bedürftige abgeben. Ab Mitte November müssten Erwachsene ab 18 Jahren pro Beutel Lebensmittel einen Euro bezahlen, sagte Johannes Wegner vom Vorstand der Potsdamer Tafel. Damit reagiere der Verein auf die gestiegenen Betriebskosten sowie deutlich zurückgegangene Spendenbereitschaft für die Tafel. „Wir leiden extrem unter der Maserati-Affäre“, sagte der für die Spenden zuständige Vereinsvorstand Wegner. „Auf gut Deutsch: Das ist ziemlich ätzend.“

Die Ereignisse rund um Harald Ehlert und das Sozialunternehmen Treberhilfe Anfang des Jahres haben den Tafeln in Berlin und Potsdam geschadet. Ehlert hatte einen Maserati als Dienstwagen, zudem gehörten der Treberhilfe eine repräsentative Villa in Caputh sowie weitere große Limousinen für den Fuhrpark – in der öffentlichen Wahrnehmung galt dies als unvereinbar mit der Arbeit eines Sozialunternehmens. Johannes Wegner sagte gestern, bei Treffen mit potenziellen Spendern sei das Verhalten der Treberhilfe immer wieder angesprochen worden. Unterm Strich habe sich das Spendenaufkommen der Tafel halbiert, so Wegner. Erst habe sich seiner Ansicht nach die Wirtschaftskrise ausgewirkt, dann die Treberhilfe-Maserati-Affäre. Um die Arbeit der Tafel auch in der Zukunft garantieren zu können, sind in diesem Jahr drei Projekte auf den Weg gebracht worden: Ein unabhängiger Wirtschaftsprüfer hat laut Wegner die Vereinsbücher durchforstet und „die korrekte Verwendung der Spenden attestiert“. Die Bedürftigen sollen künftig einen Euro pro Tüte Lebensmittel bezahlen. Und der Verein kämpft weiter um die Nutzung einiger Räume in der alten Kaufhalle am Schlaatz.

Die Vereinsarbeit gleicht derzeit einer Baustelle. Vor allem das Projekt Kaufhalle Schlaatz bringt Wegner beinahe zur Verzweiflung. „Das ist ein unvorstellbarer Zustand, ich träume nachts schon davon“, so Wegner. Die Tafel kämpft um einen Platz am Schlaatz, wo Wegner und Tafel-Büroleiterin Maria Conze gerne ein Büro, Kühlräume, Sanitäranlagen und einen kleinen Raum für die Lebensmittelausgabe einmal wöchentlich in Anspruch nehmen wollen. Doch bislang führt für die Tafel kein Weg in die Halle. Die bisher bekannt gewordenen Pläne sehen in der alten Kaufhalle einen Schlecker-Markt, eine Sparkasse, einen Lebensmittelmarkt sowie eine Verkaufsstelle für den Rückenwind e.V. vor. Die Tafel-Betreiber haben dafür wenig Verständnis. Warum nicht sowohl Rückenwind als auch die Tafel darin Platz haben sollen, will Wegner nicht in den Kopf. Seit fünf Jahren sucht die Tafel nach einem Ort, um Lebensmittel kühl lagern zu können und damit länger lagern zu können. Das würde auch die Betriebskosten senken, da weniger weggeworfen werden müsste. Die alte Kaufhalle würde diesen Platz bieten, ohne große Investitionen vorzunehmen, sagte Maria Conze. Den Raum der Ausgabe, der einmal wöchentlich benötigt werde, könnte an anderen Tagen für gemeinnützige Veranstaltungen genutzt werden. „Der Vorstand ist an einem Punkt, an dem die Nerven blank liegen“, sagt Wegner. Sollte der Verein auch dieses Mal leer ausgehen, dann „würde ich mir das nur schwer mit anschauen können“. Konsequenzen von ehrenamtlichen Mitarbeitern der Potsdamer Tafel schloss er nicht aus.

Wie sich die Einführung des kleinen Obolus von einem Euro pro Erwachsenem auswirken wird, darauf sind auch Maria Conze und Johannes Wegner gespannt. Sie rechnen mit Einnahmen von 200 bis 300 Euro im Monat. Dass dieser Beitrag für die von Handelsunternehmen kostenlos zur Verfügung gestellten Lebensmittel erhoben wird, ist laut Michael Draeke vom Dachverband der Tafeln Deutschlands legitim. Als Preis dürfe eine symbolische Münze genommen werden, sagte Draeke. Also bis zu zwei Euro pro Lebensmitteltüte. Mehrere Tafeln in Deutschland würden ihre Lebensmittel nicht mehr kostenlos abgeben.

Das Video stellte uns freundlicherweise PotsdamTV zur Verfügung.

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