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„Ich war zu ungeduldig.“ Stefan Sielaff in seinem Büro im VW-Design-Center an der Schiffbauergasse.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Einen guten Morgan zum 50.

Very british: Stefan Sielaff leitet seit einem Jahr das VW-Design-Center an der Schiffbauergasse

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Es wäre schon rabiat verkürzend, einen Menschen nach dem Auto zu beurteilen, das er fährt. Weder ist es seriös, vom Wagen auf den Fahrer zu schließen, noch vom Fahrer auf den Wagen. Allerdings, wenn man es recht bedenkt: Der Vorgänger von Stefan Sielaff als Chef des Potsdamer VW-Design-Centers fuhr einen 210 PS starken Golf GTI mit aggressiv-roten Bremssätteln hinter den Sportfelgen – und das passte irgendwie. Heute ist Thomas Ingenlath bei Volvo und wer meint, dass das womöglich nicht so gut passt, der könnte sich fragen: Vielleicht ist Ingenlath nach Göteborg geholt worden, um es passend zu machen? Soll es ein Schuss mehr Sportlichkeit sein für die Schwedenmobile?

Auf dem Chefparkplatz vor dem VW- Design-Center an der Schiffbauergasse steht nun ein VW Touareg, eine Art Geländelimousine, ein Auto für Acker und Autobahn. Wer mag sich dahinter verbergen? Ist Stefan Sielaff ein Mann, der abseits der eingefahrenen Wege nach neuen Design-Ideen sucht? Ist er vielleicht könnte doch sein ein Naturbursche?

Weit daneben! Der da freundlich grüßt und einen Platz in einem der beiden Ledersessel in seinem Büro anbietet, ist ein durch und durch urbaner Typ. Er trägt zu seinen blauen Augen eine weißgepunktete blaue Krawatte über dem dunklen Anzug. Das Einstecktuch, das aus der Brusttasche lugt, ist aus dem gleichem feinen Stoff wie die Krawatte: blau, mit weißen Punkten. Unübersehbar sind die Manschettenknöpfe, auf denen jeweils zwei Großbuchstaben die Affinität zu ihrer Majestät offenbaren: „GB“ – Great Britain. Der Mann mag es very british und eine Urkunde auf einem Sideboard deutet an, warum das so ist: Das Royal College of Art in London verlieh Stefan Sielaff den Master of Design. Es ist „eine der besten Hochschulen für Auto-Design“, erläutert Sielaff, der, wollte man ihn wirklich einem Wagen zuordnen, ein Bentley-Fahrer sein könnte. Das wäre dem Arbeitgeber gegenüber loyal, Bentley gehört zu VW. Aber nein, sagt dieser, stattdessen fahre er in München, wo er privat lebt, noch einen 911er Porsche als Dienstwagen.

Kein britisches Auto also bei Stefan Sielaff, der von sich sagt, viel von dem Leben in London mitgenommen zu haben? Das wäre wie James Bond ohne einen Aston Martin. Schwer zu glauben! „Ganz privat“, verrät der Design-Center-Chef dann doch, besitzt er seit dem vergangenen Jahr einen Morgan 4/4 – voila! Ein urbritisches Auto, das am längsten durchgehend produzierte Automodell der Welt; ein Zweisitzer mit unendlich langer Motorhaube und oldtimerartigen, schwungvollen Kotflügeln. „Den habe ich mir zu meinem 50. Geburtstag geschenkt.“ Die vier im Autonamen steht für die Anzahl der Zylinder.

Die Garage dieses Traumautos steht dort, wo Stefan Sielaff zu Hause ist, in München. Dort ist er geboren, dort begann er Industriedesign zu studieren, dort kam der Kontakt zu Audi zustande. Die Marke mit den vier Ringen schickte Sielaff Ende der 1980er Jahre mit einem Stipendium nach London. Nie, sagt Sielaff, könnte er sich mit einer Automarke identifizieren, die keinen großen Wert auf das Design legt. Das Design sei „die Kaufentscheidung Nummer eins“.

Als Pendler hat sich Stefan Sielaff in Potsdam keine Wohnung gesucht; vielmehr wohnt er die Woche über im Hotel Schloss Cecilienhof, dessen englischer Tudorstil sehr seinem ästhetischen Empfinden entspricht. Potsdam ist „eine fantastische Location“, sagt er, man spüre die Vergangenheit. Er akzeptiere ein gewachsenes Stadtbild, finde aber, eine Stadt müsse sich auch weiterentwickeln können. „Man will ja nicht eines Tages in einem Museum leben.“ Es gebe fantastische leichte Glasbauten, die eine Stadt bereichern können. Als Beispiel nennt Sielaff London, „wo sehr ästhetische moderne Gebäude das Stadtbild gefühlvoll umgekrempelt haben“. Oft sei es der Kontrast, der Spannung bringt. Seine Wohnung bestehe aus reinem Jugendstil „plus einem high-end-modernen Sofa“. Um die Idee in Architektur zu übersetzen: Sielaff sieht Parallelen zu Bilbao, wo das Guggenheim-Museum „die ganze Stadt rumgerissen hat“. Frische Impulse müssten sein. „Man muss es sich trauen!“

Als Bayer sei er, so beschreibt sich Sielaff, eher ein Traditionalist, kein Bilderstürmer. „Ich leite vom Traditionellen ab.“ Präzision und hohe Qualität, das sei es, worauf es ankommt. Feine Fugen und präzise Übergänge. „Sie müssen die Qualität als Kunde spüren.“ Wenn das auch sehr konservativ klingt, was Sielaff da sagt, kennt er doch die Probleme dieser Welt, den Klimawandel, die Endlichkeit der Ressourcen. Rege referiert er über die Chancen und Probleme von Elektroautos, den chinesischen Automarkt, die Zukunft der individuellen Mobilität, die es auch weiterhin geben wird, denn: Auto ist auch Leidenschaft und Emotion, das weiß ein 911er Fahrer nur zu gut. „Das Auto ist der Inbegriff der Freiheit“, sagt Sielaff. „Sie können sich an einem sonnigen Tag ans Steuer setzen und nach Rom fahren, das Pantheon besichtigen – das tollste Gebäude der Welt – und kaufen sich auf der Piazza einen Cappuccino.“

„Herr Sielaff, haben Sie Fehler gemacht im Leben?“ Wer ein Porträt über jemanden schreiben will, den er nur eine Stunde sprechen kann, der muss seinem Gegenüber schnelle Themenwechsel zumuten. Sielaff lacht und überlegt. Große Fehler hat er nicht gemacht, glaubt er. Na ja. In jungen Jahren habe er Designvorschläge vorgelegt, bei denen er heute die Hände über den Kopf schlägt. Eines davon – ein frühes E-Mobil – steht auf der Fensterbank seines Büros und mutet an wie eine Kreuzung aus einem Star-Wars-Raumgleiter und einer fiktiven Ingenieursarbeit Leonardo da Vincis – zwei stromlinienverkleidete Räder vorn und hinten ein einzelnes, riesiges Heckrad, als wäre das Getriebe noch nicht erfunden worden.

Dann ist da noch seine Zeit als junger Manager, als ihm „die geschwollene Halsschlagader nachgesagt wurde“, als er zu ungestüm war, als er „zu wenig auf seine Mitmenschen eingegangen ist“, wie er denkt. „Ich war zu ungeduldig“, sagt er, der sich heute eher als diplomatisch-konziliant beschreibt. Weil er weiß, „dass ich nicht besser sein kann als 100 Mitarbeiter“. Heute, da er weiß, dass er mit einem Porsche oder einem Touareg schneller, sicherer, bequemer ans Ziel kommt – mit einem Morgan 4/4 aber einzigartiger.

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