Homepage: Einer, der es weit gebracht hat
Walter Homolka sprach in seiner Antrittsvorlesung an der Uni über Jesus
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Vor gut 150 Jahren setzte sich Abraham Geiger, Streiter für die jüdische Reformbewegung, dafür ein, die Ausbildung von Rabbinern an der Universität anzusiedeln. Eine Forderung, die keineswegs überraschen muss, denn die Universität ist eben der Ort, an dem traditionsgemäß Theologen ausgebildet werden. Mit der Gründung der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums 1872 in Berlin war ein Anfang gemacht. Ein provisorischer Anfang. Denn die Idee, an staatlichen Universitäten reguläre Lehrstühle für Judaistik einzurichten, wurde nicht realisiert.
Die Verknüpfung von universitärer und Rabbiner-Ausbildung wurde erst 1999 mit der Gründung des Abraham-Geiger-Kollegs institutionalisiert. Treibende Kraft dieses Unternehmens war und ist Walter Homolka, seit 2002 der Rektor des Kollegs. Der zweifach promovierte Rabbiner setzte durch, was nach der Shoah in Deutschland undenkbar schien. Im letzten Jahr konnten die ersten drei in Potsdam ausgebildeten Rabbiner ordiniert werden.
Nicht nur aufgrund dieser Verdienste wurde Walter Homolka am vergangenen Donnerstag von der Universität Potsdam zum Honorarprofessor ernannt. In seiner Laudatio charakterisierte der Dekan der Philosophischen Fakultät, Bernhard Kroener, Homolka als ein wahres „zoon politikon“, einen für das Gemeinwesen handelnden Menschen, was seinen Widerhall in vielen internationalen Ehrungen erfahre. Neben zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen und einem beruflichen Werdegang, der ihn zu so unterschiedlichen Institutionen wie der Deutschen Bank, Bertelsmann und Greenpeace führte, zeichne sich Homolka besonders für sein Engagement im interreligiösen Gespräch aus.
Ein Anliegen, das sich dann auch in der Antrittsvorlesung des 43-Jährigen widerspiegelte. Als Replik auf den aktuellen Bestseller seines „Kollegen Ratzinger“, in dem dieser das Leben „Jesus von Nazareth“ nachzeichnet, gab Homolka einen Abriss der jüdischen Jesus-Forschung von Abraham Geiger bis zum Religionsphilosophen Ernst Ludwig Ehrlich, der als einer der Ehrengäste im überfüllten Hörsaal des Potsdamer Philosophicums saß. Die Frage, was Juden über Jesus denken, erübrige sich schon aufgrund ihrer Unschärfe: Die meisten Juden interessieren sich nicht für Jesus.
Der jüdische Beitrag zur so genannten Leben-Jesu-Forschung wiederum wird selbst in Standardwerken nicht berücksichtigt. Abraham Geigers „Das Judentum und seine Geschichte“ (1864-71), das als Entwurf einer Gegengeschichte zur vorherrschenden Ansicht zu lesen ist, das Judentum sei lediglich eine Vorstufe zum Christentum, markiere den Anfang einer Interpretation, die Jesus als Revolutionär und Protestdenker, als großen Bruder und messianischen Zionisten in das Judentum zurückzuholen versucht.
Die theologische Debatte zwischen jüdischen und nichtjüdischen Gelehrten nahm ihren Lauf, Adolf von Harnack, Leo Baeck, Hermann Cohen, Hans Joachim Schoeps und nicht zuletzt der zu Papst Benedikt XVI. gewordene Joseph Ratzinger sind ihre Protagonisten, der Satz „Jesus war kein Christ, sondern Jude“ des Protestanten und Begründers der modernen Bibelkritik Julius Wellhausen, ihr Motor.
Resümierend stellte Homolka fest, dass sich Juden für Jesus nicht religiös interessierten, sondern apologetisch. Der Anfang der Debatte fällt in die Zeit der ersten rechtlichen Gleichstellungen des Judentums als Religion. „Juden wollten Juden bleiben und Teil der christlichen Gesellschaft sein. Wie gut also, dass Jesus selbst Jude war.“ Der jüdische Blick, so Homolka, geht auf „einen von uns, der es weit gebracht hat“.
Lene Zade
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