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Warum die Schauspielerin Marleen Lohse an der Filmhochschule HFF Schauspiel studiert Sie fühlt sich nicht mehr als die kleine Hexe vom Alstertal
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Am Anfang war dieses Foto in der Zeitung. Die Hochschule für Film und Fernsehen in Babelsberg stellte die neuen Schauspielstudenten vor. „Mensch, das Gesicht kenne ich doch aus dem Fernsehen“, dachte manch einer. Rote Haare, Locken, blaue Augen. Ein schöner Kopf, der immer heraussticht. Nicht Engel, nicht Hexe, aber ganz klar ein Gesicht, das man nicht vergisst. Und siehe da, im TV-Nachmittagsprogramm wurde man auch gleich fündig: In den Kinderserien „Süderhof“ und „Die Kinder vom Alstertal“ von 1997 und 2002 sah eine jugendliche Darstellerin der Potsdamer Studentin wirklich verblüffend ähnlich. Auch in der Teenagerkomödie „Küssen verboten, baggern erlaubt“, einem so genannter TV-Movie aus dem Jahre 2003, wurde man fündig. Sollte die HFF, wenn nicht einen jungen Filmstar, so doch ein veritables Sternchen aufgenommen haben? Ganz klar ja. Und doch auch nein.
Marleen Lohse heißt der Name zu dem Gesicht, und ja, die 22-Jährige tritt seit ihrem 13. Lebensjahr in Fernsehproduktionen auf. Mit Robert Azorn in „Der Unwiderstehliche“, bei „Bella Block“, bei den „Rettungsfliegern“, in „Soko Leipzig“ und „Soko Wismar“ und in einem Tatort mit Ulrike Folkerts, der erst ausgestrahlt wird. Nur ein Filmsternchen, das ist sie nicht. Das stellt man sich anders vor. Mit winzigem, kläffenden Hund auf dem Arm und ebenso winzigem Auto. Bei dem Hochnäsigkeit schon zu den Rollen gehört, für die man gewöhnlich besetzt wird.
Marleen Lohse kommt gerade müde von der „Schule“, Fach „Bewegung“. Also Rhythmus, Musik und Tanzen. Draußen ist die Sonne längst untergegangen. Schule sagt sie verkürzt zur Filmhochschule. Die Schule, sagt sie, sei toll. Sehr intensiv, ein vollgepackter Lehrplan. Wer sich, wie sie und die sieben anderen Schauspielschüler ihres Jahrgangs, für die vierjährige Ausbildung in einem harten Zugangstest qualifiziert hat, weiß, worauf er sich einlässt. Morgentraining, Sprecherziehung, Gesang, Tanz, Fechten, Theaterszenenstudium, Filmszenenstudium. Für anderes bleibt da wenig Zeit. Egal, Marleen Lohse lacht und meint es doch sehr ernst: „Ich will lernen.“ Daraus spricht Überzeugung, ja geradezu ein Wissen, auf dem richtigen Weg zu sein. Sie arbeitet doch eigentlich schon längst in ihrem Traumberuf und würde sicher auch in Zukunft gut vom Film leben können? Woher stammt diese abgeklärte Sicherheit, die sie von vielen Gleichaltrigen unterscheidet?
Fernsehpopularität oder Ausbildung? Ein Filmsternchen hätte da wohl nicht lange überlegt. Marleen Lohse allerdings hat ein ganzes Jahr darüber nachgedacht. Nach dem Abitur, erzählt sie, gab es einen sehr schönen Augenblick. „Einen Moment des Schwebens“, erinnert sie sich. Keine Verpflichtungen, keine Wohnung, keinen Job. Sie nahm ihren Rucksack, ihr Surfbrett und ein Around-the-World-Ticket, bei dem nur eins klar ist: Du wirst ein Jahr unterwegs sein. Marleen hatte 365 Tage nur Sommer. Als Zwanzigjährige stand sie also plötzlich alleine am Ende der Welt, am Flughafen in Sydney.
Die Aufgabe wurde konkret: Was mache ich als nächstes? Und überhaupt: was fange ich mit meinem Leben an? Marleen Lohse war in Neuseeland, auf den Fiji-Inseln und in New York um das Leben zu probieren und für die Zukunft Sicherheit zu bekommen. Sie hat sich in Auckland einen Van gekauft und ist dann im Linksverkehr einfach losgefahren. In Australien surfte sie morgens, ging nachmittags Teller waschen und Abends in die Oper. Sie modelte, pflückte Tomaten und spielte Gitarre. „Mir fiel auf, dass ich überall, wo ich war, die Nähe zu Film und Theater suchte.“ Sie habe viele brenzlige Situationen erlebt. An ein messerscharfes Riff geklammert, während der tosende Ozean über ihr zusammenschlug. „Bei meiner perfekten Welle“, erzählt sie, „wäre ich also beinahe gestorben.“
Und fast wäre sie für immer in New York geblieben. Aber sie wollte zurück, ihre Erfahrungen, die sie in einem Videotagebuch festgehalten hat, in einem Film umsetzen. In Hamburg besuchte sie als Gasthörerin kurz ein Regie-Studium. Aber, so spürte sie, „Regie kann ich ja immer noch machen – ich will einfach nur spielen!“ In Potsdam bot sich der einzige Schauspielstudiengang in Deutschland, in dem man sowohl zum Film- als auch zum Theaterschauspieler ausgebildet wird. Nun wohnt sie in Berlin. Das Meer, das sie so lange immer in der Nähe wusste, und nach dem in ihre alten Heimat Hamburg wenigstens die Luft riecht, fehlt ihr hier.
Das Jahr in der Ferne hat sie verändert. „Kein Tag vergeht, an dem ich nicht an die Zeit zurück denke.“ Es komme ihr vor, als sei sie fünf Jahre fort gewesen. „Ich bin jetzt nicht mehr die kleine Hexe vom Alstertal“, sagt sie. „Ich bin jetzt eine erwachsene Frau.“
Matthias Hassenpflug
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