INTERVIEW: „Eins zu sechs halte ich für zu wenig“
Frau Haucke, einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge bleiben knapp 46 Prozent aller unter 3-Jährigen in Potsdam täglich zehn Stunden in der Kita. Ist das aus Ihrer Sicht zu lange?
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Frau Haucke, einer Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge bleiben knapp 46 Prozent aller unter 3-Jährigen in Potsdam täglich zehn Stunden in der Kita. Ist das aus Ihrer Sicht zu lange?
Relevant ist aus meiner Sicht vor allem, wie groß die Kitagruppen und wie hoch der Betreuungsschlüssel sind. Das heißt, eine Betreuungsdauer von zehn Stunden sagt noch nichts darüber aus, ob es besonders gut oder schlecht sein muss für ein Kind. Qualitätsmerkmale sind viel mehr die Konstanz der Betreuungs- und Bezugspersonen. Handelt es sich um Voll- oder Teilzeitkräfte, wechselt die Bezugsperson mehrmals am Tag oder in der Woche nicht? Ich selbst halte mehrfache Wechsel für viel schädlicher, als die Frage der Länge der Betreung. Das Gleiche gilt auch für die Zusammensetzung der Kindergruppen.
Laut brandenburgischem Kitagesetz soll der Betreuungschlüssel bei den unter 3-Jährigen eins zu sechs betragen. Welchen Schlüssel halten Sie für angemessen?
Wichtig ist vor allem, dass auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder zeitnah reagiert werden kann. Je schlechter der Schlüssel ist, desto kürzere Zeit sollte man sein Kind in die Kita geben. Bei den 0- bis 3-Jährigen sollte meines Erachtens ein Schlüssel von eins zu vier nicht unterschritten werden. Eins zu sechs halte ich für zu wenig.
Welche Folgen kann eine unausreichende Betreuung haben?
Für ein Kind kann das zu vermehrtem Stress führen. Es kann sich in diesem Alter ja in vielen Bereichen noch nicht selbst helfen. Bei Stress sind dann zehn Stunden sehr lang. Allerdings gibt es von Kind zu Kind unterschiedliche Fähikeiten in der Stressbewältigung. Kurzfristig kann Stress dazu führen, dass Kinder sich verstärkt an ihre Eltern klammern und Stimmungschwankungen aufweisen. Längerfristig kann es zu Schlafstörungen oder einer Beeinträchtigung der sozial-emotionalen Entwicklung kommen.
Das Interview führte Matthias Matern
Kathrin Haucke (41) ist seit rund einem Jahr Oberärztin in der Asklepios-Tagesklinik für Kinder und Jugendliche in Potsdam. Davor arbeitete sie am Uniklinikum Bern.
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