zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Einstein hatte sie auch

6. Diagnose Tag der Uni Potsdam für Lese-Rechtschreib-Schwächen

Stand:

Potsdam - Im Foyer des psychologischen Dienstes der Universität Potsdam in der Gutenbergstraße 67 geht es turbulent zu an diesem Samstag Nachmittag. 50 Anmeldungen hat Mitarbeiterin Ulrike Talaga am 6. Diagnosetag für Lese-Rechtschreib-Schwächen auf ihrer Liste. Die Atmosphäre ist locker und erinnert eher an einen Wochenendausflug als an einen Praxisbesuch. Dazu tragen ein Infostand, bunte Plakate und ein Kuchenbüfett bei. Am Treppengeländer hängt ein Bild mit einem Hasen darauf, darunter ein Pfeil in Richtung Treppe. Weiter links das Gleiche mit einem Löwen und eine Möwe, es weist in eine andere Richtung. „Das sind unsere Wegweiser für die Kinder, die gar nicht oder sehr schlecht lesen können, dann wissen sie, in welchem Zimmer welche Tests stattfinden“, erklärt Diplom Psychologin Anne Wyschkon. In mehreren Räumen sitzen Psychologie- oder Germanistikstudenten und stellen anhand der Lese- und Schreibfähigkeiten der angemeldeten Grund- und Vorschulkinder eine Grobdiagnose zusammen. „Für eine Feindiagnose benötigen wir mehr Informationen, als wir sie heute bekommen können, wie zum Beispiel Intelligenz des Kindes und Funktionen des Kurzzeitgedächtnisses“, erklärt Wyschkon, „aber wir machen nach den Tests mit den Kindern, die wir für betroffen halten, vor Ort einen Termin für die Feindiagnose“, sagt sie. Zwei bis acht Prozent deutscher Kinder sind von einer Legasthenie betroffen, die unterschiedlich aussehen kann. Mal können Buchstaben nicht den dazugehörigen Lauten zugeordnet werden, Worte und Wortteile werden ausgelassen und oft gibt es wenig oder kein Verständnis für das Gelesene. Einige Kinder können gut lesen, haben aber mit der Rechtschreibung große Probleme, andere können weder Lesen noch Schreiben. „Das ist immer unterschiedlich“, erklärt Wyschkon, „wenn ein Kind LSR hat, weil es hyperaktiv ist, muss zuerst die Hyperaktivität therapiert werden“. Potsdam habe Glück, denn noch bezahlt das Jugendamt LRS-Therapien, weil LRS nach §35 des Jugendhilfegesetzes als seelische Erkrankung gilt und somit behandelt werden muss. Je früher desto besser. „In Berlin werden die Kosten einer solchen Therapie nicht mehr übernommen“, berichtet die wissenschaftliche Angestellte Andrea Schneider. Eine Familie ist aus Treuenbrietzen angereist, weil die Tochter in der Grundschule Probleme hat. „Sie traut sich schon nicht mehr zu lesen“, berichtet der Vater des Mädchens, „aber in Mathematik schreibt sie nur Einsen“, sagt er. Er selbst habe es auch nicht so mit dem Schreiben, gesteht er, aber eine Behandlung halte er für wichtig, wenn seine Tochter betroffen sei. Später will das Mädchen zum Kriminalamt, wie die Mutter verrät. Warum nicht, schließlich war Einstein auch Legastheniker.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })