Landeshauptstadt: Einsteins Kopf aufgetaucht
Die vor zwölf Jahren in Berlin gestohlene Büste stand monatelang in einem Potsdamer Antiquitätengeschäft
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Die vor zwölf Jahren in Berlin gestohlene Büste stand monatelang in einem Potsdamer Antiquitätengeschäft Von Henner Mallwitz Einstein ist wieder da! Vor fast genau zwölf Jahren verschwand die bronzene Büste des Genies aus dem Astronomischen Garten der Archenhold-Sternwarte in Berlin-Treptow: Jetzt tauchte sie in einem Antiquitätengeschäft in der Potsdamer Innenstadt wieder auf. Für 4 500 Euro stand der 60 mal 50 Zentimeter große Kopf dort zum Verkauf. Am Mittwoch stattete die Potsdamer Polizei dem Laden einen Besuch ab und beschlagnahmte das Werk der Berliner Künstlerin Jenny Wiegmann-Mucchi. „Der Inhaber gab die Büste anstandslos heraus“, so Polizeisprecherin Angelika Christen. „Die Kriminalpolizei hat jetzt die Ermittlungen zum Verdacht der Hehlerei aufgenommen.“ In der alten Sternwarte im Treptower Park herrschte derweil gestern Hochstimmung. „Wir freuen uns riesig, weil wir gerade an dieser Büste besonders gehangen haben“, erzählte Dietmar Fürst, der als pädagogischer Mitarbeiter an der Einrichtung beschäftigt ist. „Denn schließlich hielt Einstein im Jahr 1915 in unserer Sternwarte seine erste Vorlesung zur Relativitätstheorie. Da hat man doch einfach einen besonderen Bezug zu solch einem Kunstwerk.“ Weltweit gibt es nur noch ein weiteres Exemplar des bronzenen Einsteinkopfes – dieses steht in der Uni Rostock. Die Information zum ungefähren Aufenthaltsort der Büste bekam Dietmar Fürst bereits vor ein paar Wochen. Als er in einem seiner regelmäßigen Vorträge die verschwundene Skulptur erwähnte, sprach ihn ein Besucher an. Dieser erinnerte sich, bei einem Wochenendtrip nach Potsdam eine solche Büste in einem Antiquitätenladen der Stadt gesehen zu haben. Nur wo? Blieb nur eines: Wie Sherlock Holmes und Dr. Watson machte sich Fürst mit seinem Chef Professor Dieter Hermann vom Berliner Osten aus auf den Weg in die Landeshauptstadt. Das alte Foto des Schmuckstückes in der Aktentasche, durchstöberten sie jeden Laden, in dem alte Dinge verkauft wurden. In einem verwinkelten Geschäft wurden sie fündig und riefen die Berliner Polizei an. Denn: „Bei denen wurde der Diebstahl ja bereits mit einem eigenen Aktenzeichen geführt“, so Fürst. Die Berliner Kriminalisten reichten die Aufgabe allerdings weiter: Sie baten ihre Potsdamer Kollegen um Amtshilfe. Die Männer von der Henning-Tresckow-Straße hatten dabei ein leichtes Spiel. Keine dunklen Hinterzimmer waren zu durchsuchen – die Büste stand für alle leicht sichtbar direkt im Eingangsbereich des Ladens, und auch die ordnungsgemäßen Kaufunterlagen konnte der Händler sofort vorweisen. Während in Treptow große Freude herrschte, bestimmte in dem kleinen Innenstadt-Geschäft gestern eher Frust die Atmosphäre. Äußern wollte sich niemand – jedoch machte sich nach PNN-Informationen mächtiger Ärger auf die Polizei breit. In überzogener Art und Weise hätten die Beamten die Sicherstellung der Büste im Beisein von Kunden durchgeführt. Unlautere Absichten könnten dem 55-jährigen Berliner Besitzer dabei wahrlich nicht unterstellt werden. Denn die Plastik stand bereits seit mehreren Monaten im Eingangsbereich des Antiquitätengeschäfts – vor ihr sogar ein Schild mit der Aufschrift: „Frage! Wer weiß, woher dieser Einstein kommt?“ Eine Frage, die die Polizei wahrscheinlich schon längst hätte beantworten können. Denn die Kripo, so wurde erzählt, tauchte bereits vor einigen Wochen auf der Suche nach einem gestohlenen Gemälde in dem Geschäft auf. Dieses fanden sie zwar nicht – der Einstein stand aber damals schon mit seinem Schild auf dem Sockel. „Diesen Vorwurf werden wir jetzt prüfen“, bestätigte Angelika Christen gestern. Probleme, die die Mitarbeiter der Archenhold-Sternwarte weniger interessieren dürften. Angestoßen wurde zwar noch nicht: „Das machen wir in aller Form, wenn Einstein wieder bei uns ist“, so Fürst. Und auch über den neuen Ehrenplatz des großen Vorbildes haben sich die Kollegen schon den Kopf zerbrochen. Auf dem Sockel im Astronomischen Garten soll er auf keinen Fall mehr stehen: „Einstein gehört zu uns ins Haus.“
Henner Mallwitz
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