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Landeshauptstadt: Ekel-Toiletten und Schimmel

Eltern reichen schöne Fassaden alleine nicht Jakobs empfindet Diskussion als „tief beschämend“

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Nach und nach kamen die Politiker in die Schule. Zur Krisensitzung wurde geladen, die Eltern von Grundschülern haben einen Vorstoß unternommen und wollen auf die Missstände in der Einrichtung aufmerksam machen. Auf Orte, die so keiner haben will. Auf Zustände, die keiner hinter der sanierten Fassade vermutet. Die Babelsberger Bürger-Grundschule hat einen Hilferuf gestartet, der Jann Jakobs zu einem Kniefall bewegte. Der Oberbürgermeister sagte unlängst vor den Stadtverordneten: „Dies ist eine traurige und tief beschämende Diskussion. Ich fühle mich beschissen.“ Es sei Teil der eigenen Unsensibilität, dass diese Debatte überhaupt geführt werden muss. Zudem ist es nicht der einzige Pflegefall in der Schullandschaft der Landeshauptstadt.

Es ist Wahlkampfzeit, die Probleme der Schüler und Eltern werden dabei von Kommunalpolitikern noch ernster genommen als sonst. Doch Potsdam hat ein Problem. Es fehlt an Geld, um die Schulen sanieren zu können. 90 Millionen Euro wären nötig, um auf einen Schlag sämtliche Einrichtungen auf den modernsten Stand zu bringen – immerhin die Hälfte davon wird in den nächsten vier Jahren zur Verfügung stehen. Allerdings zu wenig für den Bedarf. Brandschutz und Sicherheit stehen an erster Stelle, erklärte Jakobs. Und da es vor allem für die Sanierung der Fassade und Dächer Fördermittel gab, wurden diese zuerst saniert. Toiletten und Essräume kamen erst danach. Dabei hat die Stadt in den vergangenen Jahren bereits 130 Millionen Euro in Schulen saniert.

So sprechen die Elternvertreter der Bürger-Schule in Babelsberg heute auch von „krassen Defiziten“ und „katastrophalen Verhältnissen“ in der Einrichtung. Die Schule ist von außen mit Millionenaufwand (3,6 Millionen Euro) saniert worden und der Hof ist neu gestaltet, doch eine 30 Jahre alte Behelfsbaracke dient den Schülern als Mensa, es gibt Schimmelverdacht und Fluchtwege fehlen. Und immer wieder ist seitens der Stadt Geld eingeplant worden, um die Mängel zu beseitigen. In gleicher Regelmäßigkeit ist es der Bürgel-Schule aber wieder abgezogen worden und in andere Sanierungsmaßnahmen geflossen.

Vor allem im bürgerlichen Babelsberg ist die Konkurrenz zu Privatschulen groß. Mit dem Zustand der Schulen können die öffentlichen Schulen jedoch nicht punkten. Die Bürgel-Schule klagt über Probleme, der Grundschulteil der Goethe- Schule erinnert an vergangene Mangelzeiten und auch an der Grundschule Am Griebnitzsee wird immer wieder über den Bauzustand des Gebäudes geklagt. Eltern hatten sich bereits die Baupläne der Schule aus der städtischen Verwaltung geholt, um die Sanierung selbst voranzutreiben. Dass sich die Eltern nun mit ihren Problemen aus der Deckung gewagt haben, wird in der Kommunalpolitik großteils anerkannt. Hängt normalerweise der Mantel des Schweigens über derartigen Problemen, um der Schule in der Außenwirkung keinen Schaden zuzufügen, werden die Probleme nun offen angesprochen.

Profitieren soll die Bürgel-Schule davon, ab Herbst könnte gebaut werden. Zwei Millionen Euro wären nötig, um alles zu schaffen. Allerdings gibt es für die Sanierung der Schulen eine Prioritätenliste. Sollte die Bürgel-Schule vorgezogen werden, fallen andere Projekte weg. „Sagen Sie welche“, forderte Jakobs die Stadtverordneten daher auf. Die Antworten stehen noch aus. Jan Brunzlow

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