zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Elektro-Post ist Anwalts Liebling Potsdamer Entwicklung reformiert die Gerichte

Einen großen braunen Din A4-Umschlag unter dem Arm stürzt der Anwalt mit verzerrtem Gesicht zum Gerichtsbriefkasten, blickt auf seine Armbanduhr und bricht vor dem Gerichtsgebäude zusammen. Eins nach zwölf.

Einen großen braunen Din A4-Umschlag unter dem Arm stürzt der Anwalt mit verzerrtem Gesicht zum Gerichtsbriefkasten, blickt auf seine Armbanduhr und bricht vor dem Gerichtsgebäude zusammen. Eins nach zwölf. Zu spät! Die Frist für das Einreichen des Antrags ist abgelaufen – jeder kennt die Szene so oder ähnlich aus Anwaltsserien á la „Edel und Starck“. Dank Andreas Muchow aus Potsdam müssen die Anwälte am Landgericht Frankfurt (Oder) und an sieben weiteren Gerichten in der ganzen Republik seit 2005 nicht mehr ihre Anträge bis um 0 Uhr durch die Klappe am Gerichtsgebäude geschoben haben. Seine Potsdamer Firma AM-Soft entwickelte zusammen mit dem brandenburgischen Justizministerium den elektronischen Gerichtsbriefkasten. Im Prinzip funktioniert der elektronische Briefkasten wie ein normales E-Mailprogramm, mit der Ausnahme, dass lediglich registrierte Benutzer mit digitaler Signatur Unterlagen versenden können. Die Dokumente sind dadurch sogar autorisiert. Und das hat nicht nur den Vorteil, dass die zeitraubenden Aktentransporte wegfallen, sondern auch den, dass der Eingang der Dokumente sofort automatisch bestätigt wird. Hinzu kommt, dass die Anwälte und andere Prozessbeteiligte Papier und Porto sparen. Die Kosten für die dafür benötigte Signaturkarte von 30 Euro im Jahr würden sich also schnell lohnen, meint Christian Thalemann, Richter am Landgericht Frankfurt: „Täglich zwei bis drei elektronische Akteneingänge“ kämen beim Landgericht an. Um die 25 Anwälte seien an seinem Gericht schon registriert und alle seien „Feuer und Flamme“ für die Entwicklung aus Potsdam. 1989 gründete Andreas Muchow sein Software-Unternehmen in Hameln, bald kamen Niederlassungen in Berlin und Leipzig dazu. „Sehr frühzeitig“ hätte sich dann seine Firma den „elektronischen Rechtsverkehr auf die Fahne geschrieben.“ Das sei auch der Grund gewesen, weshalb Muchow 1999 mit seiner Firma nach Potsdam zog: Die „Kontakte zur brandenburgischen Justiz“ sollten „intensiviert“ werden. Zehn Angestellte betreuten dann seit 2001 von Potsdam aus das Pilotprojekt „Elektronischer Briefkasten“ am Amtsgericht Bad Freienwalde. 200 000 Euro kostete dort die Umstellung auf den digitalen Schriftverkehr. Auf die kleine brandenburgische Stadt fiel damals die Wahl, weil die dortigen Gerichtsmitarbeiter sich durch eine „große Affinität zu Computern“ ausgezeichnet hätten und deshalb der Schulungsaufwand geringer gewesen sei, so Thomas Melzer vom Justizministerium. Der Bad Freienwalder Gerichtsdirektor und Familienrichter Sylvio Seidel zum Beispiel sei der erste Richter bundesweit, der die „Scheidungsurteile gleich in den Computer eingibt“. Die frisch geschiedenen Paare könnten so das rechtskräftige Urteil direkt aus der Verhandlung mitnehmen. Da habe Potsdam nicht mithalten können. Wann genau der elektronische Briefkasten nun auch den Anwälten der brandenburgischen Landeshauptstadt die Arbeit erleichtern wird, steht noch nicht fest. Im brandenburgischen Justizministerium wolle man die Entwicklung in Bad Freienwalde und Frankfurt abwarten, bevor weitere Planungen gemacht werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false