Von Jan Brunzlow: Elfmeter für Babelsberg
Seit Jahren kämpft der SV Babelsberg um die Stadionsanierung – heute wird der Bauantrag eingereicht
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Babelsberg - Im Babelsberger Fußballstadion wird die 75. Spielminute angezeigt. Es ist eine unterhaltsame Partie, die sich der Verein SV Babelsberg 03 seit einigen Jahren mit wechselnden Gegnern liefert. Den Spielstand kennt keiner so genau, Tore haben beide Seiten geschossen. Nur eins ist klar: Wenn heute der Bauantrag für den acht Millionen Euro teuren Umbau des Stadions eingereicht wird, geht der SV Babelsberg 03 im Spiel um den Erhalt und die Sanierung des traditionsreichen Karl-Liebknecht-Stadions deutlich in Führung. Vergessen scheinen die Zeiten, in denen die Babelsberger von einem Insolvenzverfahren, Klagen der Anwohner, Sichtachsen der Schlösserstiftung und der Diskussion um einen Stadionneubau in der Waldstadt überrannt worden sind und vor allem die Abwehrreihen zusammenhalten mussten.
Die wohl wichtigste Vorlage für den nahenden Sieg des SV Babelsberg 03 kam direkt aus der Staatskanzlei. Acht Millionen Euro aus dem Konjunkturpaket II könnten zur Verfügung stehen, hieß es zu Beginn des letzten Jahres. Danach seien „die rumgeschlichen und haben geguckt, wie man hier acht Millionen Euro unterbringen kann“, sagte Vorstandsmitglied Frank Marczinek auf einer Mitgliederversammlung. „Die“ sind Vereins-Geschäftsführer Ralf Hechel sowie Ulrich Sotschek und Torsten Gessner von der städtischen Sportverwaltung, die an jeder Ecke Möglichkeiten gefunden haben, das in Aussicht gestellte Geld zu verbauen. Nun soll bereits in drei Monaten mit den ersten Abrissarbeiten begonnen werden, bis Ende 2011 soll das Karl-Liebknecht-Stadion ein Schmuckkästchen sein.
11 600 Zuschauer könnten dann in dem reinen Fußballstadion Platz haben. Das marode Haupthaus wird saniert, der ViP-Raum vergrößert, das Tribünendach erweitert sowie ein weiterer Block – Block K an der Karl-Liebknecht-Straße – überdacht, eine Solartherme auf dem Tribünendach soll für warmes Wasser im Stadion sorgen, der benachbarte Hartplatz wird zum Kunstrasenplatz, eine neue Videoüberwachung wird installiert und der Rasen soll eine Heizung erhalten. Allerdings sei die Rasenheizung weiter auf der Streichliste, wenn das Geld insgesamt nicht reichen sollte, sagte Geschäftsführer Ralf Hechel. Acht Millionen Euro stehen der Stadt für den Ausbau des Stadions zur Verfügung, davon 7,2 Millionen Euro Bundes- und Landesmittel. Das Geld soll komplett ausgegeben werden.
Schon in den 70er Jahren hatte der Verein den Kampf um das Stadion gewonnen. Drei Millionen Mark sollen damals verbaut worden sein, am 10. Juli 1976 war Eröffnung: „Darum würde manche Oberliga-Elf Potsdam beneiden“, sagte Georg Buschner, der die DDR-Olympiaauswahl betreute, an jenem Tag über das neue Stadion. Die DDR-Auswahl hatte damals vor etwa 11 700 Zuschauern 5:0 gegen die Babelsberger gewonnen. Damals hatten vor dem Spiel russische Panzer die Wälle für die Tribünen aufgeschoben. Bis heute gibt es Streit um den Standort: Die Potsdamer Schlösserstiftung hatte erst im vergangenen Jahr darauf hingewiesen, dass das Stadion lediglich Bestandsschutz habe. Daher war auch der komplette Umbau des Stadions nicht möglich – einzig eine Sanierung im Bestand und eine Erweiterung der kleinsten Tribünenseite gilt als genehmigungsfähig.
Als marode will Jürgen Rettig das Stadion nicht verstanden wissen. „Es ist überholungsbedürftig“, sagte der frühere Heizwerkleiter des Karl-Marx-Werkes. Die ersten Planungen für ein reines Babelsberger Fußballstadion seien im Jahr 1973 an seinem Wohnzimmertisch entstanden. Dass das Stadion letztendlich so aussah wie es heute noch aussieht, habe auch an der Mangelwirtschaft gelegen. Das Haupthaus beispielsweise musste aus Betonplatten entstehen, weil es keine Mauersteine aus dem BMK Ost gegeben hatte, erinnert sich Rettig. Und auch das Dach sei eine besondere Konstruktion. Weil das Haus die Last eines Tribünendaches nicht tragen konnte, musste diese freistehende Konstruktion gewählt und eine Kunsttoffwelle aufgesetzt werden. „Die Bauakademie hat die Dach-Welle als Forschungsprojekt ausgewiesen“, erinnert sich Jürgen Rettig. Mit Erfolg für Babelsberg.
Der Sieg ist allerdings noch nicht in trockenen Tüchern. Noch immer steht eine endgültige Genehmigung für die abknickbaren Flutlichtmasten aus, deren Betrieb nur bis Mitte 2011 genehmigt ist. Da die untere Denkmalbehörde den Bauantrag auf Lebenszeit befürwortet, die Landes- Denkmalbehörde dies allerdings ablehnt, muss die Kulturministerin des Landes darüber entscheiden. Ein Fußballspiel dauert bekanntlich 90 Minuten, besagt die Fußballweisheit Sepp Herbergers. Der hat bekanntlich einst den SV Nowawes 03 – heute SV Babelsberg 03 – trainiert.
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